überstanden hat, und über seine Denkungsart kein Zweifel mehr obwalten kann, dann wird er in der Gesellschaft willkommen geheissen, und dann ist sein Ruf an der Hochschule gegen alle Fährlichkeiten gesichert.
Ist er als ordentliches Mitglied aufgenommen, so wird er binnen kurzer Zeit eine merkwürdige Veränderung in dem Städtchen wahrnehmen. Man[1] wird ihn ehrfurchtsvoller grüssen, und ihn zu zahlreichen Gesellschaften heranziehn. Die kinderlosen Frauen werden anrücken und werden ihn bitten, einen Vortrag zu halten oder Mitglied eines Unterstützungsvereins für bettelnde Handwerker zu werden, die Musikvereine werden ihn ersuchen, Vorstandsmitglied zu werden (denn er muss ausserordentlich musikalisch sein), die Studenten werden in den Studentenabfütterungen auf ihn aufmerksam gemacht, werden Deputationen zu ihm schicken, dass er sie in ihren patriotischen Bestrebungen unterstütze. Allmählich erschrickt er selbst vor seiner wachsenden Bedeutung; er fängt selbst zu glauben an, dass er sehr berühmt sei, und wagt vieles.
Nun kommt der erste Vortrag. Der unbefangene Theil des Publicums schreit: „Entsetzlich! Beleidigung des Publicums! Unerhört! Wir leben in keinem Dorf, dass man uns so etwas bieten kann! Ein Professor ist kein Feldscherer oder Akrobat oder Jahrmarktsbudeninhaber!“ Grosse Aufregung allenthalben.
Da tritt die Versicherungsgesellschaft ein. In der
- ↑ WS korrigiert: Wan
Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/125&oldid=- (Version vom 18.8.2016)