Ferner aber steht dem Docenten noch ein Umstand im Wege, den man in die Worte kleiden kann, dass ,der Prophet nichts in seinem Vaterlande gilt.‘ In der That werden die meisten Docenten in Folge des Hinzutretens des Universitätsklatsches an der eigenen Hochschule viel geringer geschätzt, als sie es verdienen. Es giebt unter ihnen nicht wenige, die auswärts das grösste Renommée haben, in Folge verdienstlicher Arbeiten zu Ehrenmitgliedern gelehrter und angesehener Gesellschaften gemacht sind und dennoch von der eigenen Fakultät dauernd über die Achseln angesehen werden. Freilich ist diese Thatsache für die kritische Fähigkeit oder den guten Willen der Professoren überaus bedauerlich, aber wer wird dieselben überhaupt noch über das Maass gewöhnlicher Menschen hinaufschrauben? Dies ist ein Missstand, der gleichfalls nur eine Folge des überlebten, ungerechten und lächerlichen Personalunfugs ist, der mit der heutigen Universitätsverfassung eng verbunden ist, und dem erst mit der Aufhebung des Corporationswesens und mit dem grösseren Einfluss der administrativen Behörden ein Ende bereitet werden kann. Hierbei sind die Ausnahmsfälle nicht mitgezählt, bei denen ein Ordinarius den neben ihm unterrichtenden Docenten oder Extraordinarius durch dauernde Nichtachtung vor den Studenten, durch absichtliches Verschweigen seiner Arbeiten an Stellen, wo sie anständiger Weise genannt werden sollten, durch hämisches, wenn auch ohne Namensnennung
Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/100&oldid=- (Version vom 18.8.2016)