Eine weitere Folge aber ist, dass ein Professor diejenigen chicanirt und womöglich durchfallen lässt, jedenfalls ihnen eine geringere Note giebt, welche nach seiner Ueberzeugung zu wenig bei ihm gehört haben. Dies pflegt besonders bei medicinischen Examina einzutreffen. Es ist Thatsache, dass durch solche Uebelstände oftmals Differenzen in der Commission vorgekommen sind. Dadurch pflegt aber das Examen selbst viel einseitiger zu werden, und es sind zahlreiche Beispiele bekannt und durch Candidaten verbreitet worden, in welcher Weise diese Einseitigkeit sich in dem Examen kundgegeben hat. Ein Historiker pflegte stets nach den kleinasiatischen Provinzen zu fragen, durch welche Alexander d. Gr. marschirt ist, ein berühmter Philologe stets nach den Odysseehandschriften, ein Geograph nach der Umgegend Neapels. Ebenso zahlreich sind die Steckenpferde der juristischen Professoren. Eine nicht minder bedauerliche Folge aber entspringt aus dem unpractischen Wesen, durch welches manche Professoren sich auszeichnen. Vorzugsweise bei ihnen wird daher nicht ungewöhnlich sein, dass in dem einen Fall viel zu schwer und nach Sachen gefragt wird, die ein Candidat gar nicht wissen kann, in einem anderen Fall viel zu leicht. Besonders beim Oberlehrerexamen sind zahlreiche Beispiele bekannt geworden, dass ein Professor dieselben Fragen für die höchste Facultas, für die mittleren Classen und für die allgemeine Bildung gestellt hat, und ein berühmter Philosoph pflegte für die
Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/057&oldid=- (Version vom 18.8.2016)