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Seite:Festrede Berliner Lessing-Denkmal (Seite 3 von 4).png

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der Nation auf freiem Markte las? Und derselbe König, der früh und spat für Lessings Dasein keinen Blick hatte, gab ihm doch aus der Fülle was köstlicher ist als Geld und Amt, die Wonne, Genoß einer großen Werdezeit zu sein. „Herr Lessing, der nun ein rechter Preuße ist,“ schreibt der Freund im siebenjährigen Kriege. „Singe ihn deinen König! Singe ihn mit dem Kranze des Siegs, tiefsinnig auf dem Schlachtfelde, mit thränendem Auge unter den Leichnamen der verewigten Gefährten“ ruft Lessing. Der preußische Grenadier sang ihn, die weiche Syrinx vertauschend gegen die kriegerische Trompete. Und Lessing selbst verherrlicht in eben der Zeit, wo Friedrich den stoischen Entschluß im Busen trägt, seines Staates Fall nicht zu überleben, den Tod fürs Vaterland im „Philotas“. Das wallende Priestergewand des Messias, das bauschige Watteaukleid der Schäfermaskerade, der schlotterige Schlafrock des Leipziger Magisters wich einem knapp, ja allzueng anliegenden lakonischen Panzer. Noch herrscht, da Lessing „heroische Gesinnungen einem Preußen ebenso natürlich wie einem Spartaner“ nannte, fremdes antikes Kostüm.

Als er aber zum vierten Male nach Berlin kommt, da bringt er als schönste dichterische Kriegsbeute das „Soldatenglück“ mit, das älteste und vornehmste Lustspiel unserer Bühne, das hier im Frühjahr 1768 durch seine Spiegelung der Zeit alle Stände entzückte, auf die Höhen der Gesprächskunst und ohne falsche Delikatesse in die urwüchsige Redeweise des Volkes führte, herbe Soldatenehre und frauenhafte Liebenswürdigkeit, Preußen und Sachsen versöhnte und dem sächsischen Fräulein das Wort lieh: „daß Ihr König, der ein großer Mann ist, auch wohl ein guter Mann sein mag.“ Nie ist ein Herrscher einfacher, schöner, vorbildlicher gepriesen worden.

Drei preußischen Männern bestätigt unser Denkmal ihren Bund mit Lessing, wie das Hamburger Standbild die Profile des lichtscheuen Fragmentisten, mit dessen nachgelassenen Scheitern Lessing den theologischen Brand schürte, und des ehrwürdigen Sprachmeisters der alten Bühne zeigt.

Da ist Ewald von Kleist, „Dichter und Soldat“, der wehmüthige Elegiker des „Frühlings“ und der tapfere Blutzeuge von Kunersdorf, der ideale Empfänger der Berliner Literaturbriefe und ein Urbild des Majors von Tellheim, Lessings geliebtester Herzensfreund.

Da ist Friedrich Nicolai als ein Vertreter des fridericianischen Berlinerthums, ein Achtung gebietender, behender Autodidakt, der in jüngeren Jahren wacker Schritt zu halten strebte, später jedoch seine Buchhandlung und Rezensiranstalt in den Dienst einer Aufklärung gab, welche, während Lessing den Horizont weitete, selbstgenügsam und aberweise mit allem im Reinen zu sein wähnte und zur Zeit der Genies, der Klassiker, der Romantik wie ein alter Uhu von den Vögeln des jungen Tages umschwärmt wurde.

Da ist Moses, Mendels Sohn von Dessau, der jüdische Buchhalter, Popularphilosoph und Aesthetiker, ein sauberer Prosaist, ein reiner Mann, der sein Volk aus der Gefangenschaft führte und dem bewunderten Jugendgenossen mit dankbarer Liebe anhing. In traulichen Stunden der Symphilosophie hat hier sein Scharfsinn Lessing’s Gedankenarbeit befördert, den „Laokoon“ bereichert. Der Treue ward noch ein froher Zeuge des, ach so kurzen, häuslichen Glückes in Wolfenbüttel, und an dem Bilde des philosophirenden jüdischen Kaufmanns hing Lessing’s geistiges Auge gern, als sein dichterisches Schaffen gipfelte in „Nathan dem Weisen“, dessen Entwurf die Nachkommen Mendelssohn’s wie einen urväterlichen Ehrenbrief hüten.

Das goldene Nathanwort:

Es eifre jeder seiner unbestochnen,
Von Vorurtheilen freien Liebe nach!

erglänzt auf unserem Denkmal. Hier im engen Hause der Behrenstraße ist 1783 dieser „Nathan“ zum ersten Mal über die deutschen Bretter gegangen, die er feiertäglich weiht, so oft er kommt.