Zum Inhalt springen

Seite:FFC13.djvu/44

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

er für jedes Lied die Urform und zugleich die Heimat zu ermitteln.[1]

Es war kein reiner Zufall, dass die geographisch-historische Methode zum ersten Mal in Finland angewendet wurde. Dies leitete sich zunächst aus der Reichlichkeit des finnischen aus dem Munde des Volkes aufgezeichneten Forschungsmateriales her. Aber die Methode selbst ist vollständig international und so natürlich, dass man zu ihr selbständig in jedem anderen beliebigen Lande hatte kommen können, und es sind auch Fälle vorgekommen, wo die Erforscher der Volkspoesie unabhängig voneinander das gleiche Verfahren anzuwenden begannen. „Auch ohne die finnische Forschung wäre sie zum Hauptwerkzeug des Forschers geworden“, hat der dänische Gelehrte Axel Olrik geäussert.

Auf das Gebiet der Märchen wandte die geographisch-historische Methode meines Wissens zum ersten Mal Kaarle Krohn in seinen Tiermärchenforschungen an, von denen im ersten Teile meines Werkes gesprochen wurde.

Der die geographisch-historische Forschungsmethode benutzende Forscher stellt sich als erstes Ziel die Aufsuchung der ursprünglichen Form des Märchens. Weil die Veränderungen nach bestimmten Gesetzen des Denkens und der Phantasie geschehen, ist er bestrebt, darauf fussend, durch die Vergleichung der Märchenvarianten die Schicksale des Märchens rückwärts zu verfolgen, die Erzählung von allem zu reinigen, was später hinzugekommen ist, und auf diese Weise zu ermitteln, wie das Märchen beim Antritt seiner Reise ausgesehen hat.

Aber das gesammelte Material ist in bestimmter örtlicher und zeitlicher Ordnung zu vergleichen. Die Veränderungen in den Märchen vollziehen sich gewöhnlich allmählich beim Übergang des Märchens von einem Orte zu einem anderen


  1. Krohn, K., Über die finn. folkloristische Methode (Finn.-Ugr. Forsch. 1910 S. 36).
Empfohlene Zitierweise:
Antti Aarne: Leitfaden der vergleichenden Märchenforschung. Suomalaisen Tiedeakatemian Kustantama, Hamina 1913, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FFC13.djvu/44&oldid=- (Version vom 31.7.2018)