unaussprechlicher Dank, daß Paul innig sprach: „Gute Mutter!“ ihre Hand ergriff und an seine Lippen drückte. Die Gräfin warf einen Blick voll seliger Ueberraschung auf ihren Gatten, dessen Angesicht dieselbe Empfindung aussprach. Sie schienen sich zu fragen: Was ist das? – was ist geschehen? ist er’s denn noch?
„Je länger Du bleibst, um so besser für uns,“ sagte der Graf. „Du bist immer willkommen, lieber Sohn.“
Den alten Leuten war seltsam zu Muthe – ungefähr wie frommen, verzückten Betern, zu denen der steinerne Heilige, vor dem sie knieen, sich plötzlich niederbeugen und Worte des Segens über ihre Häupter sprechen würde.
Die Unterhaltung gerieth ins Stocken, das Frühstück war beendet; Paul ging auf sein Zimmer, mit der Absicht – an Thekla zu schreiben.
Nur eine Spanne Zeit trennte ihn von dem Augenblick, in dem er Abschied von ihr genommen, es hatte sich darin so gut wie nichts begeben, nicht ein Ereigniß, das der Mühe lohnte, erzählt zu werden, und doch, ihm schien sie lang und inhaltsreich, diese kurze stille Zeit, er meinte fast in ihr mehr erlebt zu haben als in seinem ganzen übrigen Dasein. Womit soll er seinen Brief beginnen, den ersten, den er an Thekla schreibt?: „Meine Gedanken haben Sie nicht verlassen …“ – Eine Lüge! – „Ich habe meine Eltern wohlauf gefunden …“ Was kümmern sie seine Eltern? Diese schlichten Leute werden ihr immer fremd bleiben, und sie auch ihnen.
Aber das Kind, dessen Mutter sie werden und das
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 389. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/395&oldid=- (Version vom 31.7.2018)