An der Seite dieses Mannes nahm sich Mariannens blühende Tochter beinahe schmächtig aus, aber friedliche Ruhe lag auf ihrer Stirn, gleichmüthig wie immer glänzten ihre klaren blauen Augen, während die seinen zu glühen schienen, und sein ganzes Wesen eine gewaltige, tiefe, selige Verwirrung verrieth.
Die Gräfin fühlte die bange Sorge schwinden, die ihr Herz beklemmt hatte. – Die wird ihn nicht verwöhnen, sagte sie zu sich selbst, der zweiten Frau wird er sich beugen! …
Ein hagerer, hochgewachsener Mann, der sich ihr näherte, unterbrach sie in ihren Betrachtungen.
„Er tanzt!“ sprach er, auf Sonnberg deutend, „die Statue des Comthurs steigt von ihrem Piedestal herab und tanzt!“
Marianne wandte sich langsam beim Klange der wohlbekannten Stimme und entgegnete: „Das ist weniger verwunderlich, Herr von Rothenburg, als daß Sie kommen, um ihr zuzusehen.“
„Deshalb komme ich auch nicht, sondern um, wie gewöhnlich, meine Betrachtungen zu machen beim Schluß unserer Carnevals-Ausstellung, unseres Kindermarktes von Bethnall-Green.“
Die Gräfin zuckte schweigend mit den Achseln; er nahm ohne Umstände Platz neben ihr und fuhr fort: „Immer dasselbe, nicht wahr? Angebot und Nachfrage stimmen niemals überein.“
Wie Kurzsichtige pflegen, zog er seine kleinen tiefliegenden
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 316. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/322&oldid=- (Version vom 31.7.2018)