als man Paul dem Fürsten Eberstein auf die Frage: „Wie gefällt sie Ihnen?“ antworten hörte:
„Wie das Schönste, das ich jemals sah!“
Der Ball, auf dem Fürst Klemens eine entscheidende Wendung seines Schicksals zu erleben hoffte, ging zu Ende; er war der letzte und zugleich der glänzendste dieser Saison. Marianne erwartete nur den Schluß des Cotillons, um das Fest zu verlassen, und dieselbe Absicht hatte Sonnberg ausgesprochen, der an ihrer Seite sitzend dem Tanze zusah. Sie führten ein eifriges Gespräch, das die Gräfin von allgemeinen Gegenständen auf besondere, und endlich auf persönliche zu lenken verstand. Paul bemerkte bald, daß er einem kleinen Verhör unterzogen wurde, doch geschah dies in so freundlich theilnehmender Weise, daß es unmöglich war, auf eine Frage die Antwort schuldig zu bleiben. Besonders warm und herzlich lauteten die Erkundigungen Mariannens nach den Eltern Sonnbergs und nach seinem Töchterchen; sie wollte wissen, ob die Kleine ihrer verstorbenen Mutter ähnlich sehe; sie wollte etwas hören von ihrer Gemütsart, ihren Eigenthümlichkeiten.
Ein überlegenes Lächeln umspielte seinen Mund, und er entgegnete: „Sie lag in Windeln, als ich sie zum letzten Male sah; ich kann Ihnen demnach über das Aeußere der jungen Person nichts verrathen. Ihre Eigenthümlichkeiten aber, ihre Gemüthsart werden wohl die der Leute ihres Alters sein.“
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/319&oldid=- (Version vom 31.7.2018)