Dieses Drama erscheint hier zunächst für den Büchermarkt, und aus diesem Grunde habe ich mich für berechtigt gehalten, ein paar Scenen, die für die Aufführung, wenigstens für den gegenwärtigen Geschmack des Theaterpublikums, zweifellos gekürzt werden müßten, in ihrem ganzen ursprünglichen Umfange bestehen zu lassen. Im Gegensatze zu der Mehrheit unseres theaterbesuchenden Publikums bin ich der Meinung und werde voraussichtlich noch lange der Meinung bleiben, daß die Gattung des Dramas nicht nur eine theatralische, sondern auch eine litterarische Existenzberechtigung hat und daß der dramatische Dichter noch etwas anderes anstreben darf als die geschickte Mache. Im übrigen bin ich allerdings auch der Ansicht, daß sich die an ein Drama zu stellenden litterarischen Ansprüche mit den strengsten Ansprüchen auf Bühnengerechtheit vereinigen sollen und vereinigen lassen.
Daß ich die Möglichkeit einer öffentlichen Aufführung dieses Dramas überhaupt in Betracht ziehe, wird wohl manchem als eine starke Naivität erscheinen. Gleichwohl war es von einer Berliner Bühne angenommen, und die Polizei hatte nach längerem Bedenken die Aufführung gestattet. Aber jenes Theater ging schon ohne die Aufführung meines Stückes ein. Ob ein zweiter Theaterdirektor den Mut haben wird, es anzunehmen, ist zweifelhaft. Denn von diesem Drama dürfte gelten, war darin von den
Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite III. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)