Pastor Meiling: Ja, glauben Sie doch nicht etwa, daß diese Leute nicht die Unverschämtheit hätten, bei der Kirche zu betteln!
Wöhlers: Nicht möglich!
Pastor Meiling: Es ist so. Erst gestern habe ich eine Mutter dieser Art abgefertigt. Ihr Mann habe keine Arbeit, ob sie nicht für ihren Knaben einen Anzug bekommen könne, ihr Mann wisse nicht darum, daß sie zu mir komme. Natürlich benutzte ich die Gelegenheit, die Frau auf das Verbrechen hinzuweisen, das sie an ihrem Kinde begehe. Dem Knaben fiel sozusagen das Zeug in Lumpen vom Leibe; aber glauben Sie, daß diese verstockten Herzen den strafenden Finger Gottes in solchem Mangel erblicken? Ihr Mann werde den Knaben auf keinen Fall taufen lassen, entgegnete mir dieses Wesen, das sei gegen seine „Gesinnung“.
Christine: | { (gleichzeitig) } | Unerhört! |
Wöhlers: | Frechheit! |
Pastor Meiling: Gute Frau, sagte ich natürlich, dann lassen Sie sich dort Kleider geben, wo Ihr Mann solche „Gesinnungen“ empfangen hat. Wer von Gott nichts wissen will, von dem will Gott auch nichts wissen. Ich habe für Sie nichts.
Wöhlers: | { (gleichzeitig) } | Sehr gut! |
Elise: | Sehr richtig! | |
Christine: | Sehr vernünftig! |
Pastor Meiling: Ja, meine Freunde, sollen wir uns denn dieses heidnische Wesen über den Kopf wachsen lassen? Soll ich als von Gott bestellter Hirt
Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/27&oldid=- (Version vom 31.7.2018)