Pastor Meiling (zu Elise): Sie müssen mir erzählen, liebes Kind, wie das Werk Gottes in Ihrem lieben Vereine fortschreitet.
Elise: Mit Vergnügen, Herr Pastor. (Gehen im Gespräch nach hinten links. Wöhlers, dessen Frau, Magdalene und Wolfgang im Vordergrunde rechts.)
Wöhlers: Ich habe vier Plätze im Sommertheater bestellt. (zu seiner Frau) Es ist dir doch recht?
Christine: Was giebt es denn?
Wöhlers: Zum hundertsten Male: „Gräfin Fifi.“
Christine: Ah – schon zum hundertsten Male?
Wöhlers: Ja – Jubiläumsvorstellung.
Christine: Ja, da müssen wir ja hin; ich hab es freilich schon elf oder zwölf Mal gesehen; aber das kann man immer wieder sehen. Der Molary hat immer neue Couplets.
Magdalene: Wenn Ihr’s nicht übelnehmt, Papa und Mama, möcht ich lieber zu Hause bleiben.
Christine (erstaunt): Und warum denn –?
Magdalene: Ich finde das Stück so seicht und so – –
Christine: Nun, und –?
Magdalene: Lassen wir das. Ich weiß, daß auch Wolfgang nicht gern hingeht.
Wöhlers: Ja, du lieber Himmel, was wollt Ihr denn eigentlich sehen? Schiller und Goethe kann man doch nicht ewig sehen; das wird einem bald zuwider. Oder sollen wir uns etwa moderne Schmutzstücke vorspielen lassen, wie zum Exempel – „Der Trunkenbold“ von – nun, wie heißt noch der sogenannte „Dichter.“
Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/22&oldid=- (Version vom 31.7.2018)