Wolfgang: So.
Stein: Ja, was meinen Sie woll, Herr Behring, wieviele Leute – das heiß: von denen (auf die Stirn deutend:) die man überhaup mitzählen kann – wieviele solltn woll noch da an glaubn, was in ’n Katekismus steht –
Wolfgang: Mein lieber Herr Stein –
Stein: Nein, erlaub’n Sie mal! Ob die Herrn, die da nun so gesess’n hab’n – un un un – un über mich gerichtet hab’n – ob die woll noch alles so ganz fest glaub’n, was in ’n Katekismus steht?
Wolfgang: Ich will Ihnen etwas sagen, lieber Herr Stein – wenn man gewissen Leuten, die heutzutage im Lande das Wort führen und ehrlichen Leuten das Leben schwer machen – wenn man ihnen (mit plötzlicher nervöser Heftigkeit) so den Finger in’s Herz bohren könnte und zeigen: Da, da, da sitzt ja der brandige Fleck – da ist ja die Stelle, wo du lügst, du Schuft – heraus mit deinem Christentum – da – hier auf den Tisch damit – da, da, da! – Hahahahaha! Was für Christentümer, mein lieber Freund, was für Christentümer!
Magdalene und Scharff (wechseln besorgte Blicke.)
Stein: Ich weiß es ja von meinem Vetter – ich hab’ nämlich ’n Vetter in Berlin, der Rechtsanwalt is – ja – der kennt auch den Herrn Staatsanwalt, der die Anklage gegen mich führde – ja – wenn die Herrn jung sind – die Herrn Studenten, die machen beim Bier Witze über den heiligen Geis – un nachher stürzen sie brave Leute damit in’s Unglück.
Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/107&oldid=- (Version vom 31.7.2018)