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Seite:Ennery Lemoine Herzmutterchen 1847.pdf/5

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Adolphe D'Ennery, Gustave Lemoine: Herzmutterchen!

Therese (bewegt). Oh mein Gott, mein Gott! Nein, ach nein! Das ist ja unmöglich! –

Emil (gerührt). Ja doch, Mamsellchen, es ist möglich!

Therese (reisst Louisen’s Hände von den Augen und schaut ihr in’s Auge). Louise, Herzenslouise!

Louise (stürtzt in ihre Arme). Theure Schwester!

Isidor (hat einen Stuhl herangerückt). Bumm! Kanonade vom Invalidenhause. Grosse Blumenrazzia! Allgemeines Polkatanzen! (Drückt Therese auf den Stuhl, steigt selbst hinten auf die Lehne und singt. Don Juan 1 Act Finale):

Hoch soll die Schwester leben!
Sie lebe hoch!

(Louise knieet neben ihr, Emil steht hinter Louise links von Therese, Isidor hält einen Kranz über Theresens Kopf. Alle reichen ihr Sträusse.)

Therese (vor Freude weinend). Oh Dank, den reichsten Dank für alles Schöne – für alle Blumen – doch diese ist mir die liebste Gabe.

Emil. Das wusste ich wohl!

Therese (Emil drohend). Und Sie expediren mich ganz getrost zur Post! Warten Sie nur! Wir sprechen uns. (Sich zu Louise wendend.) Da bist Du ja mein süsses Louischen, aber jetzt lass ich Dich nicht wieder von mir; nicht wahr, Du gehst nicht wieder fort? –

Louise. Nimmermehr! Ich habe Alles um Deinetwillen verlassen!

Therese. Nun bin ich zufrieden, ich war nicht gleich mit mir einig, weil ich diesen fremden Ring an Deinem Finger sah – da dachte ich mir –

Louise (verlegen). Ach der Ring – der –

Therese. Aber wie blass, wie leidend siehst Du aus!

Isidor. Ja wohl, die Bäckchen sind etwas abgeblasst.

Louise. Ach das macht gar nichts! Es ist nur augenblicklich die Erregung, die Freude, die Uebermüdung! Einen Augenblick will ich mich ruhen und dann umkleiden, wenn Du es erlaubst –

Therese. Gewiss, Louischen! – Geh nur in unser altes kleines Stübchen und mach Dir’s recht bequem. – (Isidor schiebt den Stuhl zurück und öffnet die Thür links. Benjamin nimmt alle Blumen zusammen und geht dann rechts ab.)


SCENE VII.

Therese. Emil. Isidor.

Therese (bleibt nachdenkend). Oh, ich durchschaue es nur zu gut! – Sie war dort nicht glücklich! (setzt sich zum Secretair).

Emil. Da spricht schon wieder die zärtliche Mutterliebe aus Ihnen und quält und martert Sie!

Isidor (hinter ihr stehend). Lass Dich das doch nicht heute an Deinem Geburtstag beunruhigen. –

Therese (sieht zu Isidor auf, der sie auf die Stirn küsst). Schmeichelkatze! – Halt – sag’ einmal, wo kommst Du denn heut hierher? –

Isidor (b. S.). Da haben wir’s! Na, nun Gnade Gott!

Therese. Du bist doch nicht ohne Erlaubniss weggeblieben?

Isidor. Ich will Dir das gleich erklären.

Emil (b. S., geht zum Kamin und setzt die Blumen in Vasen). Na, wird der ihr Flausen aufbinden. –

Isidor. Sieh mal, wir sind hart zusammengekommen.

Therese. Mit Herrn Pleyel!

Isidor. Mit Herrn Pleyel, oh nimmermehr!

Therese. Mit wem denn?

Isidor. Mit einem Mitgesellen, einem Insulaner, einem John Bull, einem Themsehecht, einem Beafsteakfresser – Du weisst, die Sorte kann ich nun einmal nicht sehen! –

Therese. So rede doch klar heraus. Was geschah? –

Isidor. So höre. Dieser Beafsteakfresser hasst die Musik, ich schwärme aber für Musik, mein Herz schwillt von Dur- und Moll-Akkorden, mein Blut rollt in raschem Takte durch die Adern, und Harmonie durchbebt mich vom Scheitel bis zum Fuss. Letzt war ich in Halevy’s Karl VI., und nun schrie ich am folgenden Tage aus voller Kehle in der Werkstatt (aus Halevy’s Karl VI.):

Mit England Krieg. –
In Frankreichs weiten Auen,
Soll nie ein Britte herrschen mehr –
Ich prügele ihn sonst wahrlich sehr. –

Das nahm diese Themsenamphibie als auf sich gemünzt an, und wollte langes Federlesen machen; da er aber nicht Französisch versteht, so habe ich ihm meine Erklärung auf gut Englisch gegeben. (Er macht eine Stellung, als habe er geboxt.)

Therese. Ihr habt Euch geschlagen?

Isidor. Ich ihn – ja! – Das heisst geboxt.

Therese (auf ihn zugehend). Ein Zank – eine Schlägerei, das ist ja entsetzlich!

Isidor (hält den Arm vor, um Schlägen auszuweichen). Ich will’s auch nicht wieder thun!

Therese (wie oben). Du bist ein Taugenichts! –

Isidor (wie oben). Ich will’s nicht wieder thun!

Therese (wie oben). Ein liederlicher Bursche!

Isidor (wie oben). Ich will’s ja nicht wieder thun!

Therese. Es ist unerhört, entsetzlich! Und nun hat Dich Herr Pleyel fortgejagt! –

Isidor (laut). Ih Gott bewahre, ich bin aus eigener Neigung weggeblieben. Herr Pleyel wird doch nicht so thöricht sein, mich wegzuschicken – mich – seinen besten Arbeiter. Kaum ist’s 14 Tage her, da bot er mir gute Diäten an, wenn ich nach Algier gehen wollte, wo er eine Commandite anlegt. – Da hätte ich aber Liebschwesterchen verlassen müssen – und das schlug ich ihm rund ab. –

Therese (sich vergessend). Und das war sehr recht!

Isidor (knieet nieder und fällt ihr in die Rede). Siehst Du wohl? Ich hab’s mir gleich gedacht, dass Du mir mit dem Engländer recht geben würdest! –

Therese. Nein, durchaus nicht! Das mein’ ich nicht – darüber bin ich mit vollem Rechte aufgebracht. –

Isidor (knieend und schmeichelnd). Ach, sieh doch liebe, kleine, süsse Mutter, wer schilt denn an seinem Geburtstag – da singt – da lacht – da scherzt man, aber kein langes Gesichtchen machen – oder willst Du mich durchaus strafen, dann will ich ein gehorsames Kind sein und stille halten. (Hält den Kopf hin.) So schlage doch – schlage nur immer zu. – (Therese lächelt.) Ei, Du hast gelacht, Du lachst ja noch! –

Therese (will ihn abwehren). Willst Du wohl!

Isidor. Du hast gelacht! Ich sag’ Dir, Du hast gelacht! Du vergiebst mir meine englische Erklärung, (macht das Boxen nach) ich vergebe Dein Brummen; das Unrecht ist auf beiden Seiten – folglich Beide schuldig. Eins, zwei, drei – vorbei

Empfohlene Zitierweise:
Adolphe D'Ennery, Gustave Lemoine: Herzmutterchen!. Druck und Verlag von A.W. Hayn, Berlin 1847, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ennery_Lemoine_Herzmutterchen_1847.pdf/5&oldid=- (Version vom 7.6.2023)