Emilia. Was ich nicht wußte, bis ich in der Halle mich bey der Hand ergriffen fühlte. Und von ihm! Aus Scham mußt’ ich Stand halten: mich von ihm loszuwinden, würde die Vorbeygehenden zu aufmerksam auf uns gemacht haben. Das war die einzige Ueberlegung, deren ich fähig war – oder deren ich nun mich wieder erinnere. Er sprach; und ich hab’ ihm geantwortet. Aber, was er sprach, was ich ihm geantwortet; – fällt mir es noch bey, so ist es gut, so will ich es Ihnen sagen, meine Mutter. Jetzt weiß ich von dem allen nichts. Meine Sinne hatten mich verlassen. – Umsonst denk’ ich nach, wie ich von ihm weg, und aus der Halle gekommen. Ich finde mich erst auf der Straße wieder; und höre ihn hinter mir herkommen; und höre ihn mit mir zugleich in das Haus treten, mit mir die Treppe hinauf steigen – –
Claudia. Die Furcht hat ihren besondern Sinn, meine Tochter! – Ich werde es nie vergessen, mit welcher Gebehrde du hereinstürztest. – Nein, so weit durfte er nicht wagen, dir zu folgen. – Gott! Gott! wenn dein Vater das
Gotthold Ephraim Lessing: Emilia Galotti. Christian Friedrich Voß, Berlin 1772, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Emilia_Galotti_(Lessing_1772).djvu/48&oldid=- (Version vom 31.7.2018)