Marinelli. Man werde genöthiget seyn, Mutter und Tochter zu trennen.
Odoardo. Mutter und Tochter zu trennen?
Marinelli. Mutter und Tochter und Vater. Die Form des Verhörs erfodert diese Vorsichtigkeit schlechterdings. Und es thut mir leid, gnädiger Herr, daß ich mich gezwungen sehe, ausdrücklich darauf anzutragen, wenigstens Emilien in eine besondere Verwahrung zu bringen.
Odoardo. Besondere Verwahrung? – Prinz! Prinz! – Doch ja; freylich, freylich! Ganz recht: in eine besondere Verwahrung! Nicht, Prinz? nicht? – O wie fein die Gerechtigkeit ist! Vortrefflich! (fährt schnell nach dem Schubsacke, in welchem er den Dolch hat.)
Der Prinz. (schmeichelhaft auf ihn zutretend) Fassen Sie sich, lieber Galotti –
Odoardo. (bey Seite, indem er die Hand leer wieder heraus zieht) Das sprach sein Engel!
Der Prinz. Sie sind irrig; Sie verstehen ihn nicht. Sie denken bey dem Worte Verwahrung, wohl gar an Gefängniß und Kerker.
Gotthold Ephraim Lessing: Emilia Galotti. Christian Friedrich Voß, Berlin 1772, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Emilia_Galotti_(Lessing_1772).djvu/141&oldid=- (Version vom 31.7.2018)