Der Prinz. Ah, mein lieber, rechtschaffner Galotti, – so etwas muß auch geschehen, wenn ich Sie bey mir sehen soll. Um ein Geringeres thun Sie es nicht. Doch keine Vorwürfe!
Odoardo. Gnädiger Herr, ich halte es in allen Fällen für unanständig, sich zu seinem Fürsten zu drengen. Wen er kennt, den wird er fodern lassen, wenn er seiner bedarf. Selbst itzt bitte ich um Verzeihung –
Der Prinz. Wie manchem andern wollte ich diese stolze Bescheidenheit wünschen! – Doch zur Sache. Sie werden begierig seyn, Ihre Tochter zu sehen. Sie ist in neuer Unruhe, wegen der plötzlichen Entfernung einer so zärtlichen Mutter. – Wozu auch diese Entfernung? Ich wartete nur, daß die liebenswürdige Emilie sich völlig erholet hätte, um beide im Triumphe nach der Stadt zu bringen. Sie haben mir diesen Triumph um die Hälfte verkümmert; aber ganz werde ich mir ihn nicht nehmen lassen.
Gotthold Ephraim Lessing: Emilia Galotti. Christian Friedrich Voß, Berlin 1772, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Emilia_Galotti_(Lessing_1772).djvu/135&oldid=- (Version vom 31.7.2018)