Ketten gesprengt haben, – dafür, dass wir uns freigemacht haben und keine noch so schweren Opfer dieser Freiheit zuliebe gescheut haben, – dafür, dass wir, als sozialistische Republik, wenn auch zerrissen und von den Imperialisten bestohlen, uns doch ausserhalb des imperialistischen Krieges gestellt und vor der ganzen Welt das Banner des Friedens, das Banner des Sozialismus emporgehoben haben.
Was Wunder, dass die Bande der internationalen Imperialisten gerade deswegen uns hasst; dass[WS 1] sie uns für „schuldig“ erklärt; dass alle Diener der Imperialisten, darunter auch unsere Rechts-Sozialrevolutionäre und Menschewiki uns ebenfalls „beschuldigen“! In diesem Hass der Kettenhunde des Imperialismus den Bolschewiki gegenüber und dem Sympathisieren der zielbewussten Arbeiter aller Länder schöpfen wir immer wieder die Gewissheit der Gerechtigkeit unserer Sache.
Der ist kein Sozialist, der nicht begreift, dass im Interesse des Sieges über die Bourgeoisie, im Interesse der Machtübertragung an die Arbeiter, im Interesse der beginnenden internationalen proletarischen Revolution, man vor keinerlei Opfern haltmachen darf und soll, selbst nicht vor dem Opfer eines Landesverlustes oder vor dem Opfer schwerer Niederlagen von seiten des Imperialismus. Der ist kein Sozialist, der nicht durch Taten seine Opferwilligkeit bewiesen hat, die schwersten Opfer von seiten „seines“ Vaterlandes zu bringen, damit nur die Sache der sozialistischen Revolution tatsächlich vorwärts komme.
„Ihrer“ Sache zuliebe, d. h. zur Eroberung der Weltherrschaft schrecken die Imperialisten Englands und Deutschlands nicht davor zurück, eine ganze Reihe von Ländern, von Belgien bis auf Serbien, über Palästina und Mesopotamien vollkommen zu ruinieren und zu strangulieren. Nun, und die Sozialisten? Im Namen der Befreiung der Werktätigen der ganzen Welt vom Joch des Kapitals, im Namen der Erlangung eines allgemeinen ehrenvollen Friedens – sollen sie abwarten, bis sich ein Weg ohne Opfer finden wird; sollen sie fürchten den Kampf zu beginnen, bis ein leichter Erfolg „gesichert“ sein wird; sollen sie die Integrität und die Sicherheit „ihres“, von der Bourgeoisie geschaffenen „Vaterlandes“ über die Interessen der internationalen sozialistischen Revolution stellen? Dreifacher Verachtung seien jene Knechte des internationalen Sozialismus, jene Lakaien der bürgerlichen Moral preisgegeben, die so denken!
Die Raubtiere des anglo-französischen und amerikanischen Imperialismus werfen uns vor, wir stecken mit den deutschen Imperialisten unter einer Decke.
Oh, über die Heuchler! Oh, über die Schufte, die die Arbeiterregierung verleumden, während sie selbst vor Angst schlottern, wenn sie merken, welche Sympathien wir unter den Arbeitern „ihrer“ eigenen Länder haben! Doch soll ihre Heuchelei entlarvt werden. Sie tun, als ob sie den Unterschied nicht verständen zwischen dem Pakt der „Sozialisten“ mit der Bourgeoisie (der einheimischen oder fremden) gegen die Arbeiter, gegen die Werktätigen – und einem Uebereinkommen, das die Arbeiter, die ihre Bourgeoisie überwunden haben, mit der Bourgeoisie[WS 2] einer bestimmten Färbung gegen die Bourgeoisie einer andern nationalen Färbung eingehen, zum Schutz des Proletariats und zur Ausnutzung der unter den verschiedenen Gruppen der Bourgeoisie bestehenden Gegensätze.
In Wirklichkeit aber ist sich jeder Europäer dieses Unterschiedes wohl bewusst, und das amerikanische Volk (ich will es bald zeigen) hat es besonders anschaulich in seiner eigenen Geschichte „erlebt“. Es gibt Uebereinkommen und Uebereinkommen, es gibt fagots et fagots, wie der Franzose sagt!
Als die Raubhelden des deutschen Imperialismus im Februar 1918 ihre Armeen gegen das wehrlose, demobilisierte Russland warfen, das sich der internationalen Solidarität[WS 3] des Proletariats anvertraut hatte, bevor die internationale Revolution ganz ausgereift war – da zögerte ich keinen Augenblick, mit den französischen Monarchisten eine gewisse „Abmachung“ zu treffen. Der französische Kapitän Sadoul, der in Worten mit den Bolschewiki sympathisierte[WS 4], in der Tat aber dem französischen Imperialismus treu diente, brachte den französischen Offizier de Lubersac zu mir. „Ich bin Monarchist, mein einziges Ziel ist die Niederwerfung Deutschlands“, erklärte mir de Lubersac. „Das ist selbstredend (cela va sans dire)“, erwiderte ich. Das hinderte mich keineswegs, mit de Lubersac mich zu verständigen über die Dienste, die die Fachleute im Sprengwesen unter den französischen Offizieren uns erweisen wollten, um durch Zerstören der Eisenbahnlinien den deutschen Vormarsch aufzuhalten. Das war das Muster einer „Verständigung“, wie sie jeder zielbewusste Arbeiter billigen muss – einer „Verständigung“ im Interesse des Sozialismus. Die französischen Monarchisten und wir drückten uns die Hand, obwohl wir wussten, dass jeder von uns seinen „Partner“ gerne hätte aufknüpfen lassen. Aber unsere Interessen
Anmerkungen (Wikisource)
Wladimir Iljitsch Lenin: Ein Brief an die amerikanischen Arbeiter. o. A., o. O. 1918, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_Brief_an_die_amerikanischen_Arbeiter_(1918).djvu/6&oldid=- (Version vom 28.8.2018)