Zum Inhalt springen

Seite:EhrenfestStarr3.djvu/2

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Starrheitsdefinition genügt, von Ruhe zu gleichförmiger Rotation übergehen? — Ich, Herglotz, Noether hatten gezeigt[1]: Nein. Herr v. Ignatowsky behauptete[2], aus seinen Rechnungen ergebe sich: Ja. — Mein Protest[3] hat ihn gezwungen zuzugeben[4]: a) daß aus seinen diesbezüglichen Rechnungen nichts derartiges folgt, b) daß seine Behauptung an sich falsch ist.

2. Kann ein Bornscher Körper krummlinig-translatorische Bewegungen ausführen? — Herglotz und Noether hatten gezeigt: Ja. — Herr v. Ignatowsky behauptete, aus seinen Rechnungen ergebe sich, daß ausschließlich geradlinig-translatorische Bewegungen möglich sind. — Ein brieflicher Protest des Herrn Noether hat ihn gezwungen, zuzugeben[5], a) daß aus seinen diesbezüglichen Rechnungen nichts derartiges folgt, b) daß seine Behauptung an sich falsch ist.

3) Gesetzt, ein Signalisierungsprozeß sei so beschaffen, daß eine Schar (relativ zueinander ruhender) Beobachter von ihm aussagen könnte: Mit Hilfe des Prozesses können wir einander in allen Richtungen Signale mit der Überlichtgeschwindigkeit C zusenden. Würde dies für einen passend gegen sie bewegten Beobachter ein „Telegraphieren in die Vergangenheit“ bedeuten? – Mit einer Einfachheit und Klarheit, die jedes weitere Mißverständnis füglich hätte ersparen müssen, hatte Herr Einstein gezeigt[6]: Ja. Trotz redaktioneller Warnung von seiten des Herrn W. Wien[7] hat Herr v. Ignatowsky seine gegenteilige Meinung publiziert, die ersichtlich falsch ist[8].

Herr v. Ignatowsky gelangte in seiner Arbeit „der starre Körper und das Relativitätsprinzip“ zu keinerlei anderen neuen Resultaten als zu den oben zusammengestellten drei unrichtigen. Danach ist wohl zu verstehen, daß der Autor – die Behandlung des allzu präzis definierten „relativ-starren“ Körpers verlassend – sich nunmehr[9] dem anregend-dehnbaren Fragegebiet des „relativ-elastischen“ Körpers zuwendet. Inwieweit die von Herrn v. Ignatowsky in dieser Richtung bisher publizierten Formelreihen mit dem von ihm wiederholt zitierten Planckschen Programm etwas zu tun haben, wird sich ja wohl in nicht allzu ferner Zeit überblicken lassen[10].

St. Petersburg, 15. März 1911.

(Eingegangen 17. März 1911.)

  1. P. Ehrenfest, diese Zeitschr. 10, 918, 1909; G. Herglotz, Ann. d. Phys. 31, 393, 1910; F. Noether, Ann. d. Phys. 31, 607, 1910.
  2. Ann. d. Phys. 33, 1127, 1910.
  3. Diese Zeitschr. 11, 1127, 1910.
  4. Diese Zeitschr. 12, 164, 1911.
  5. Ann. d. Phys. 34, 373, 1911.
  6. Jahrb. d. Radioaktiv. 4, 411, 1907.
  7. Siehe Fußnote zu § 6 in W. v. Ignatowsky, Ann. d. Phys. 33, 607, 1910.
  8. Die graphische Darstellung in der Minkowskischen -Ebene gestattet die Sachlage bequem zu überblicken. Das fundamentale Koordinatensystem , ist vom Standpunkt des Beobachters gewählt. „Weltlinie“ eines Beobachters , wie sie von protokolliert wird. Inbegriff aller Weltpunkte, die vom Standpunkt des mit dem Weltpunkt gleichzeitig sind . - und -Linien, welche den Lauf zweier Signale darstellen, von denen sagen würde: „ich signalisiere von aus nach beiden Seiten mit einer Geschwindigkeit, die viel größer ist als die Lichtgeschwindigkeit“ ( und fallen ja beinahe mit der „Gleichzeitigkeitslinie“ des Beobachters zusammen, laufen also für ihn „beinahe rasch“). Über das Weltpunktpaar und müssen dann und wie die Zeichnung zeigt, folgendermaßen urteilen.
    : Ereignis ist Ursache von mit
    : Ereignis ist Ursache von .

    Diese Folgerung aus der Existenz von Überlichtgeschwindigkeitssignalen ist es ja gerade, auf die Herr Einstein (l. c.) aufmerksam machte und für die man neuerdings das Schlagwort „in die Vergangenheit telegraphieren“ geprägt hat. – Hätte Herr v. Ignatowsky sich die Ausführungen des § 6 seiner Arbeit nicht nur für den Fall hoher, sondern auch für den Fall „beinahe hoher“ Fortpflanzungsgeschwindigkeit überlegt und die beiderseitige Signalausbreitung von einem mittleren Punkt seines Stabes aus verfolgt, so hätte er wohl gesehen, daß alles, was er über Herrn Einsteins Überlichtgeschwindigkeits-Bemerkung im § 6 schrieb und in Königsberg vortrug, falsch war. – Daß übrigens die spezielle Anordnung, die Herr v. Ignatowsky an jener Stelle als Beispiel einer Signalisierung anführt, überhaupt gar nicht als Signalisierung gelten kann, hat noch Herr Laue (diese Zeitschr. 12, 85, 1911) gezeigt.

  9. Diese Zeitschr. 12, 164, 1911.
  10. Das, was Herr Varičak, diese Zeitschr. 12, 168, 1911 über die Pausbilder bewegter Bornscher Körper sagt halte ich für unrichtig. Im Interesse der Klarstellung der Frage bei möglichster Verkürzung der Diskussion werde ich mich mit H. Varičak brieflich verständigen, damit wir dann schon gemeinsam den richtigen Sachverhalt publizieren können.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Ehrenfest: Zu Herrn v. Ignatowskys Behandlung der Bornschen Starrheitsdefinition II. Physikalische Zeitschrift 12, S. 412-413, Leipzig 1911, Seite 413. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:EhrenfestStarr3.djvu/2&oldid=- (Version vom 31.7.2018)