Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen | |
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136 | 350. Die Verschlusslaute: Palatale. |
das ind. ḍ zunächst gleich dem schwed. ṛḍ klingt, aber kaum
von dem ‘dicken’ ḷ (s. 321) zu unterscheiden ist. Die englischen
t, d, welche von den Indern bekanntlich als cerebral aufgefasst
werden im Gegensatz zu deren rein interdentalen त, द, sind
in Wirklichkeit alveolar. Alveolare t, d herrschen auch in
Deutschland, namentlich im Norden, vor. Sie sind überhaupt
vielleicht die üblichste Art der sog. Dentalen. Es gibt mancherlei
Abstufungen derselben, je nachdem die bis zu den Alveolen
heraufgezogene Zungenspitze reiner coronale oder mehr dorsale
Articulationsform hat (mir scheinen die norddeutschen Alveolar
-t, -d etwas mehr dorsal gebildet als die englischen, vielleicht
auch etwas weiter nach vorn). Zu den Alveolaren gehören auch
die emphatischen ط (ṭ), ض (ḍ) des Arabischen (166). Dorsalalveolar
in dem 159 bestimmten Sinne (Brücke’s Dorsale)
sind vielfach die t, d in Mittel-, auch wohl in Süddeutschland
(namentlich oft in den Affricaten ts und tš auch da wo das einfache
t nicht dorsal gebildet wird), mouillirt erscheinen sie im
russ. ть, дь. Postdentale t, d habe ich im Spanischen beobachtet,
gelegentlich auch in Deutschland. Findet der Verschluss
am untern Rande der Oberzähne statt, so sind die
Postdentale schwer von den Interdentalen zu unterscheiden.
In der letzteren Weise werden nach dem Zeugniss von Storm²
S. 69 noch heutzutage die indischen Dentale gesprochen.
Selbst beobachtet habe ich sie in grösserem Umfange im Serbischen
und Armenischen, wo sie die regelrechten Vertreter der
Dentalclasse zu sein scheinen. Auch im Englischen erscheinen
dialektisch interdentale t und d für hartes und weiches th, z.B.
in der Aussprache der Irländer. Stimmloses d für weiches th
habe ich im Dialekt von Westmoreland gefunden, wie in brudr,
mudr für brother, mother; das r ist gerollt, die Mediae und das
Schluss-r sind stimmlos. Im Deutschen findet man die interdentalen
t, d ebenfalls öfter, individuell wie dialektisch, letzteres
z. B. in Kärnten, sonst namentlich bei Juden. In den
älteren indogermanischen Sprachen scheint diese Lautreihe
weiter verbreitet gewesen zu sein als in den modernen, wenn
man aus dem häufigen Uebergang ‘dentaler’ Verschlusslaute
in interdentale Spiranten (t, t͑ zu θ; d͑ zu d) einen Schluss
ziehen darf.
350. Das Verbreitungsgebiet der echten Palatale c, ƺ ist ziemlich beträchtlichen Umfangs (sehr reichliche Belege aus
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/156&oldid=- (Version vom 6.6.2022)