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Seite:Durch Indien ins verschlossene Land Nepal.pdf/309

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sich oben mit Hungerpfötchen begnügen durfte. Ich mochte rufen soviel ich wollte, sie konnten oder wollten nichts hören, denn wenn ein solcher nepalischer Jüngling einmal seine geliebte Huka im Arm und an den Lippen hat, dann ist er für alles andere taub und blind; das Rauchen scheint eine wahre Nationalleidenschaft zu sein. Hier in Nepal verfertigen sich die Leute übrigens ihre Wasserpfeifen meist aus einem halb mit Wasser gefüllten Bambusrohr, in das ein dünneres, den Tonkopf tragendes Rohr seitlich in spitzem Winkel hineingesteckt wird, während der Rauch mittelst der als Mundstück aufgedrückten geschlossenen Hand aus dem dicken Rohre gesogen wird. Die in der indischen Ebene üblichen, winkelförmig in die Erde gebohrten Rauchkanäle habe ich in Nepal jedoch nirgends beobachten können.

So sehr ich auch den armen Kerlen ihren Rauchklub gönnte, ärgerte ich mich doch, daß mein Rufen ungehört verhallte, und wollte schon zu ihnen zurücksteigen, als plötzlich Stimmen an mein Ohr drangen; ich bemerkte einige holzsammelnde Männer und erblickte auch, nachdem ich den Weg noch ein Stückchen weiter verfolgt hatte, die Gesellschaft, zu der diese Kulis gehörten. Zu meiner Überraschung waren es aber zwei reisende indische Damen, die sich hier am Nordabhang der Paßhöhe auf einem weichen, gestickten Teppich zum Frühstück niedergelassen hatten, und zwar angesichts eines Panoramas, wie es kaum schöner gedacht werden konnte. Im Norden glänzte in weitester Ferne die Schneekette des Himalaja, teilweise verdeckt von dem dazwischenliegenden Bergrücken, über den mein weiterer Weg in das Tal von Katmandu führen sollte, und darüber wölbte sich ein wolkenlos blauer Himmel, während aus der Tiefe das Rauschen eines Waldstromes aus einer wilden Schlucht herausklang. Sturmzerfetzte, bemooste Rhododendronbäume umsäumten das prachtvolle Bild. Ich wußte nicht recht, ob ich meine Gegenwart verraten und dadurch vielleicht die unverschleierten Damen in die Flucht treiben oder lieber mich selbst seitwärts in die Büsche schlagen sollte.

Hätten die mir natürlich höchst interessanten Damen nur die schöne Aussicht genossen, so hätte ich sie jedenfalls nicht gestört, aber ich verspürte einen ganz respektswidrigen Appetit, und zum Unglück trieb mir der Nordostwind von der Kochstelle her aus den Kesseln und Töper allerlei angenehme Düfte entgegen. Es zog mich ganz magnetisch in die Nähe der schmausenden Damen, und als mein Good morning zwanglos erwidert wurde, machte ich Halt, pries die entzückende Aussicht von diesem Platze und schielte dabei mit sozusagen langgestielten Augen in einen Reistopf, aus dem ein paar weiße Hühnerbeinchen appetitlich herausschauten. War es meine verständliche Mimik oder die in Indien heimische Gastfreundschaft, genug, ich wurde sofort aufgefordert, an dem delikaten Frühstück teilzunehmen und griff auch gleich ganz unverdrossen in die dampfenden Schüsseln. Während ich dann andächtig zuhörte und nur leise und verständnisinnig meine Kinnbacken bewegte, erzählte mir meine bronzefarbige Gönnerin, daß meine Erscheinung sie keineswegs befremde, da man in Katmandu, von woher sie kämen, bereits allgemein von der bevorstehenden

Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/309&oldid=- (Version vom 1.7.2018)