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Seite:Durch Indien ins verschlossene Land Nepal.pdf/259

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Fortfall der indischen Hofhaltungen als Abnehmer habe ich bereits an anderer Stelle gesprochen.

Eine nicht geringe Schuld an diesem dringenden Begehren nach einer Untersuchungskommission für Indien, wie überhaupt an der schwülen, über Indien lastenden Ungewißheit und dem gegenseitigen Nichtverstehen zwischen Engländern und Hindus - liegt auch darin, daß die Amtsdauer der Vizekönige viel zu kurz bemessen wird; sie genügt nicht, um sich in so überaus verwickelte Verhältnisse einleben und den Volksgeist erfassen zu können. Hierzu kommt, daß der Verkehr von Indien nach England beständig erleichtert wird und die Engländer immer weniger danach trachten, sich mit der Gedanken- und Empfindungswelt der unterworfenen Rasse vertraut zu machen oder sich gar mit Hindufrauen zu vermählen; sie lassen sich an den äußeren, oft nur erheuchelten Zeichen der Unterwürfigkeit genügen, sind aber selbst schuld, daß die Indier Indier bleiben und nichts von den guten Eigenschaften ihrer Herrscher annehmen. Daß die gebildeten Engländer solche haben und sogar sehr liebenswürdige Gesellschafter abgeben, die von der Kleinlichkeit deutscher Philister frei sind, wird jeder zugeben, der in guten englischen Familien verkehrt hat.

Jedenfalls wird sich die englische Regierung Indiens bald bequemen müssen, um die Steuerüberbürdung zu mildern und einem völligen Bankerotte zu entrinnen, den Wurzeln des Übels zu Leibe zu gehen; es wird ihr nichts übrig bleiben, als Ersparnisse in der viel zu teueren Verwaltung einzuführen und die Kosten für das indische Militär zu verringern oder diese, wie es sich eigentlich von selbst versteht, durch das britische Reich tragen zu lassen.[WS 1]

Wenn der Vizekönig von Indien jedoch inmitten seines Prunksaales bei einem Durbar auf dem goldenen Sessel thront, der einst als Haudah auf dem Rücken eines Elephanten den gewaltigen, den Engländern so hartnäckigen Widerstand leistenden südindischen Sultan Tippu[WS 2] trug, oder wenn er ein Ballfest gibt, eine Reise macht oder sonstwie öffentlich auftritt, dann kann niemand ahnen, wie schwere Sorgen, welch unaussprechlich bitterer Mangel den fabelhaften, blendenden Pomp und Glanz seiner Hofhaltung als tiefe Schatten verbrämen.

Ich war zufällig gerade an dem Tage in Kalkutta, als Lord Curzon[WS 3], der jetzige Vizekönig und wohl der erfahrenste und befähigtste, der je diese schwere Bürde auf sich genommen hat, in das Government House einzog. Um sich ein Bild dieses Einzuges zu machen, denke man sich gütigst alle Fenster und Dächer der mit prächtigen Fellen und Teppichen behangenen Häuser und das ganze Pflaster der Courthouse Street dicht mit Menschen besetzt, durch die es aber den ausgesucht schönen indischen Lanzenreitern mit leichter Mühe gelang, eine Gasse für die im Schritt fahrende Kalesche zu bahnen,

in der „Seine Exzellenz“ der Vizekönig mit seiner wunderbar schönen und sich

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: bald bequemen müssen: ein Beispiel für spätere Reformen waren die Government of India Acts (en)
  2. WS: Sultan Tippu: vergleiche Tipu Sultan
  3. WS: Lord Curzon: vergleiche George Curzon, regierte 1899-1905
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/259&oldid=- (Version vom 1.7.2018)