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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/291

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drängten.[1] Dieses Regulativ wiederholt lediglich die Verordnungen der früheren Zeiten, so daß es seiner Form nach ebenso für das Jahr 1639 als für 1839 Geltung haben könnte. Selbst die uralte Bestimmung, daß man Fische nur stehend feilhalten durfte, wodurch die Händler um so schneller zum Losschlagen ihrer Waare genöthigt werden sollten, kehrte wieder. Den Höckern blieb der Einkauf in der Stadt und einer Meile im Umkreise verboten. Den zu Markte ziehenden Landleuten entgegenzugehen, um ihnen unterwegs ihre Waaren abzukaufen, wurde mit sechs Tagen Gefängniß und Verlust der Waaren bestraft. So lange der Marktwisch, das Zeichen der Dauer des Marktes, aufgesteckt war, also bis Mittags 12 Uhr, durften die Höcker nicht kaufen; nur die sogenannten „Gründer Weiber“ waren davon ausgenommen, doch war auch ihnen nur gestattet, grüne Waaren zu kaufen, dagegen durften sie trockenes Zugemüse, Obst, Weintrauben ebenfalls erst nach gefallenem Marktwisch einkaufen; diese Gründer Weiber (wahrscheinlich so genannt, weil sie aus dem Plauenschen Grunde kamen) waren Frauen, die den Einkauf von Lebensmitteln zur Versorgung der Stadt Freiberg betrieben. Die Landleute mußten ihre Erzeugnisse selbst zu Markte bringen oder den Transport begleiten und durften die Waaren nicht in Wohnungen oder Gewölben von Viktualienhändlern oder Höckern einstellen. Das Obst, das meist in Schiffsladungen aus Böhmen nach Dresden gebracht wurde, mußte erst 24 Stunden, nachdem das Schiff angelegt, dem freien Verkauf zur Versorgung der Bürger überlassen werden, ehe es die Viktualienhändler oder Höcker kaufen konnten. Der Verkauf auf Straßen und Gassen war schlechterdings verboten, doch durften die täglich gebrauchten Lebensmittel wie Milch, Butter, Eier von den Landleuten ihren Kunden ins Haus gebracht werden, wenn diese keine Viktualienhändler oder Höcker waren.[2] Der freie Verkauf von Milch auf den Straßen wurde erst 1854 allgemein gestattet.[3] Bei Anzeigen von Uebertretungen des Regulativs erhielt der Denunziant ein Drittel der konfiszirten Waare, zwei Drittel fielen wohlthätigen Anstalten zu. Der Rath wendet sich am Schlusse des Regulativs an das Publikum mit der Aufforderung, ihn in Aufrechterhaltung der Ordnung zu unterstützen, was die Folge hatte, daß sich die Denunziationen ganz bedeutend mehrten: im Jahre 1839 sind nicht weniger als 45 Anzeigen über Vorkauf und verbotene Höckerei bei der Stadtpolizei-Deputation eingegangen.[4]

Die Höcker, meist Höckerinnen, wurden, da sie für den kleinen Mann als Zwischenhändler nicht zu entbehren waren, als nothwendiges Uebel betrachtet und verachtet. Meistens ist es nicht der leichte Erwerb, der die Frauen bestimmte, Höckerei zu treiben, sondern die bitterste Noth und der Zwang, für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Im Jahre 1700 werden 102 Höcker gezählt, von denen nur 5 Männer, meist Invaliden, waren.[5]

Ein fortgesetzter Streit wird um die besseren Marktplätze geführt. Meist sind es die jüngeren Elemente, die die alten von ihren Stammplätzen verdrängen wollen. 1680 war der Markt einmal der Schauplatz eines heftigen und erbitterten Kampfes. Rathsknechte hatten sich in den Streit der Höckerinnen eingemischt und wollten einige vom Markte wegweisen. Die Frauen wurden aber von ihren Männern, den Soldaten, geschützt und erst der Dazwischenkunft des Generalwachtmeisters von Schönberg gelang die Wiederherstellung der Ruhe.

Was manchen Höckerinnen heute noch nachgerühmt wird, eine große Zungenfertigkeit, das besaßen sie auch schon vor 200 Jahren. Es wird in einer Eingabe von Bürgern an den Rath Beschwerde geführt, wie die Höckerinnen zu dreien und vieren um eine Bauerfrau herumstehen, den Korb abhelfen, aufdecken und wenn eine Bürgersfrau oder Magd etwas von der Bauersfrau kaufen will, „selbige mit höhnischen Worten und Höckengekeife“ abzuweisen wissen, des „Schimpfes“ zu geschweigen, den solche boshafte Leute öfters ehrlichen Leuten anzuthun gewohnt seien.[6] Es war aber auch nicht leicht, einen solchen Handel, bei dem fast alles verboten war, zu betreiben, und es erforderte eine rührige Thätigkeit, um dabei seine Rechnung zu finden. Als besonders vielseitig und tüchtig wird 1703 die Höckerin Dorothea Angermann und ihre Tochter gerühmt, über welche der Marktmeister berichtet: „Handeln mit allerhand, wie die Jahreszeit mit sich bringet, itzo mit Erdbeeren, sonsten ganze Jahr mit Hasen und andern Wildpret, im Herbste in der Vogelzeit ist sie nicht auszugründen, da nimmt sie alles weg, was sie erschnappen kann, und hat fast alle Bauersleute an sich, wird auch fast alle kennen, die Vogel zu Markte bringen; so bald sie siehet kommen, wird sie ihnen ein Zeichen geben an den Fingern, wie sie die Vogel geben sollen, oder mit den Augen winken, daß sie fort gehen, da schleicht sie ihnen nach und kauft“.[7]

Die Gesetze des Vorkaufs waren aber vielfach noch dadurch verschärft, daß die Höcker sich des Kaufes von Lebensmitteln, deren Zufuhr selten oder, wie bei dem jungen Liebenwerdischen Kraut, gering war, mindestens einen Tag enthalten mußten, was mit gänzlicher

Enthaltung gleichbedeutend war.[8] Denn die kleinen


  1. C. XXVIII. 21 b Bl. 44. ff.
  2. C. XXVIII. 21 b Bl. 30.
  3. C. XXIX. 51. Bl. 57.
  4. C. XXVIII. 21 b Bl. 1–7.
  5. C. XXVII. 2. Bl. 40.
  6. C. XXVIII. 5.
  7. C. XXIX. 1. Bl. 12.
  8. C. XXVII. 2. Bl. 129.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/291&oldid=- (Version vom 20.8.2024)