„.... der Zunder unserer Jahre
Der viel Wissenschaften fängt,
Und gelehrt zu sein sich lenkt“
oder:
Nichts kann so liebenswürdig sein
Als wenn bei Frauenvolke,
Zumal wo sich nicht mischet ein
Der zarten Schönheit Wolke,
Die Freundlichkeit gespüret wird.
In einer ziemlichen Anzahl seiner Gedichte zeigt sich Brehme von der Schäferei wie auch von dem mythologischen Rüstzeug dieser Gelehrtendichtung so gut wie ganz frei oder wenigstens im Inhalt nicht davon beeinflußt, wenn auch einzelne Benennungen daran erinnern, die aber ja selbst in das Volks- und Gesellschaftsbild eindringen. Er neigt da mehr nach der Seite der Volksdichtung hin. Von den Literarhistorikern wird er daher auch in den Kreis derjenigen Dichter gestellt, die zwar den gelehrten beizuzählen sind, die aber doch eine gewisse Fühlung mit der Volksdichtung behielten. Diese Fühlung ist auf stofflichem wie formellem Gebiete zu erkennen. Brehme thut gern einen Griff ins Leben. In den erwähnten Hochzeitsgedichten „Jungfernkrämer“ und „Glückstopf“ haben ihm offenbar Scenen aus dem Leipziger Meßtreiben Modell gestanden. Ein tolles Treiben, wohl selbst erlebt in seiner Studentenzeit, schildert er in dem langen Alexandrinergedicht „Der andere Tag lustiger Gesellschaft, vollbracht von sechs Personen“. Eine Gesellschaft lustiger Kumpane, darunter auch ein Weib, „die feine Dorila“, zieht ausgerüstet mit Musikinstrumenten, Spielkarten und Lebensmitteln auf ein Dorf „Riedewitzsch“: dort „sollt’ sterben all’ ihre Traurigkeit“, d. h. sie wollten sich einmal nach Kräften austollen; die Gesellschaft treibt allerhand närrischen Unfug, singt, spielt und trinkt und endet den Tag mit einer schweren Trunkenheit, um am nächsten Morgen das Tollen und Trinken von Neuem zu beginnen, bis sie nach Leipzig zurückkehrt. Vorliegendes Gedicht ist ein humoristisch-poetischer Bericht von dieser Ausfahrt, man kann es auch geradezu auf modern-studentisch Kneipzeitung nennen. Es wimmelt darin von scherzhaften Anspielungen und Umschreibungen, die nur versteht, wer dabei gewesen ist. Um das Gedicht für den fernstehenden Leser etwas verständlicher zu machen, hat Brehme einen Kommentar in Prosa angehängt, worin er eine Anzahl dunkler Wendungen erklärt. Es begegnen in dem Gedichte auch Ausdrücke der Studentensprache, ferner solche aus dem soldatischen Rothwelsch, wie „Bleisack“ für Zinnkanne, „minkeln“ und „Minkelspiel“ für essen und Mahlzeit, auch volksmäßige Wendungen, z. B. „Niclas läßt sich sehen“ als Umschreibung für ein zerbrochenes Fenster, entstanden aus dem mundartlichen „ni (=nicht) Glas“. Aus der frohen Lust des Augenblicks heraus hat Brehme auch einige frische Trinklieder geschaffen:
„Der Bachus und sein güldenes Faß
Macht Herzen froh und Mäuler naß,
Vertreibet Schmerz und bringet Freud’,
Macht aus der langen kurze Zeit,
Giebt Kühnheit uns zum Damenscherz,
Schafft für ein feig’ ein frisches Herz –
Und was uns nur belustigt, das
Thut Bachus und sein güldenes Faß.“
Und in einem anderen, das unbekümmert um den Krieg, der draußen tobt, zu heiterer Lust bei Wein und Liebe auffordert, sagt er mit volksliedmäßigem Anfang:
„Frisch auf, ihr Brüder, laßt uns trinken!
Der Mavors mag sein blutig Schwert
In jenem Felde lassen blinken,
Hier uns dasselbe nicht versehrt.
Er hat die Lust an großen Stücken,
Wir haben sie an Gläsern hier,
Von Gläsern bauen wir uns Brücken,
Drauf fährt in uns der Wein und Bier.“
Da ist überall vom gelehrten Dichter wenig zu spüren: man fühlt doch immerhin den frischen Pulsschlag des wirklichen Lebens klopfen. So ist auch das große Schicksal seiner Zeit nicht ohne deutliche Spur an ihm vorübergegangen: bereits oben ist geschildert, wie sich der Krieg in seinen Schriften spiegelt. Es geschieht dies allerdings meist in der Form einer poetischen Flucht vor dem Krieg, wie dies auch in dem eben angeführten Trinkliedchen angedeutet ist. Zum Tyrtäos verrieth er nicht die mindeste Anlage, ebenso wenig wie irgend einer seiner Zeitgenossen. Es konnte ja auch dieser Krieg bei seiner langen Dauer, während allmählich alle Ideale daraus entschwanden, keine dichterische Begeisterung entzünden. So war denn die elegische Betrachtungsweise des Krieges der zeitgenössischen Dichtung die vertrauteste. Auch Opitz hat ein „Trostgedicht in Widerwärtigkeit des Krieges“ geschrieben, worin er ihn als göttliche Schickung hinnimmt und die Trostgründe der Religion aufsucht. Aber doch hat außer elegischen und ästhetisch-feindseligen Betrachtungen Brehme, der ja mitten im Kriegstreiben gestanden, auch ein Soldatenlied (vgl. oben) gesungen, in dem das thatenfrische Leben sich kräftig abdrückt.
In Form und Gedankenausdruck macht sich das volksthümliche Element in Brehme namentlich durch eine häufig zu Tage tretende ursprüngliche Derbheit geltend. Mitten in einem fast ganz schäferlich gestimmten Hochzeitsgedicht, einer Hirtenode, wendet er sich an den Bräutigam, der Jurist ist, mit den Worten:
„Wir, wir geben zur Gebühr
Einen Hammel oder vier,
Daß er uns so fein vertragen:
Wenn uns denn das Dörferbier
In den Kopf gestiegen schier,
Wir uns dann wohl wieder schlagen.“
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/286&oldid=- (Version vom 24.8.2024)