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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/176

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Die Satzungen des Vereins scheinen allerdings der Annahme des Anerbietens entgegenzustehen; da indessen die betreffenden Paragraphen immer noch eine verschiedene Auslegung zulassen, so wird mit nicht unbedeutender Majorität beschlossen, daß der übermorgen stattfindenden Generalversammlung der Fall vorgetragen und ihr die Auslegung überlassen werden soll. Da außerdem noch ein Anerbieten gemacht wird, indem der Kupferstecher Goldfriedrich seinen Cyklus der Gesetzgeber aus Bendemanns Thronsaalbildern dem Verein für eine mäßige Summe anbietet, so werden der Versammlung dieses Mal nicht weniger als sechs Vorschläge vom Direktorium gemacht.

30) Freitag. Abends lesen wir den Anfang einer Auerbachschen Dorfgeschichte, welche betitelt ist „Lucian“. Auerbach sagte mir, die Erzählung sei unter dem Eindruck der Ronge’schen Bestrebungen, eine neue Kirche zu stiften, in welcher auch Leute seiner Richtung Aufnahme und Stellung zu finden hoffen dürften, entstanden. Wir sollten bei Lesung der Geschichte das bedenken und Nachsicht haben. Die Tendenz thut sich nun auch gleich Anfangs kund. Wir werden aber schwerlich durch Lucian gewonnen werden, sondern eher auf der Seite des strengen katholischen Pfarrers unsern Platz einnehmen. Wie tief auch Auerbach in menschliche Dinge und menschliche Gebrechen eindringt, die Tiefe, in welcher eine Erneuerung aus Gott gewonnen und die Selbstsucht und die Sünde überwunden wird, die hat er noch nicht ergründet.

31) Samstag. Brief von Thaeter. Er zeigt mir an, daß Barfus seine Platte mit unermüdlichem Fleiße nun so weit gebracht habe, daß er mir einen Probedruck glaubt vorlegen zu können, der nur noch eine letzte Korrektur nöthig erscheinen lassen werde. Der Probedruck kommt denn auch am Nachmittag in einem Kistchen an, das heute aber noch nicht eröffnet wird, da ich zur Generalversammlung des Kunstvereins zu gehen habe, die heute über die Wahl einer Vereinsgabe entscheiden wird.... Die Generalversammlung beginnt um 3 Uhr. Nach vielfacher Erörterung der Frage, ob wir das Recht haben, den Steinla’schen Kupferstich nach der Madonna del pesce nebst den andern Blättern in Vorschlag zu bringen, wird durch Stimmenmehrheit entschieden, daß das Blatt, weil es nach einem alten Bilde gestochen, nicht in Vorschlag gebracht werden soll. Nach Beseitigung dieses Gegenstands wird zur weitern Wahl vorgeschritten und unter den vier übrig bleibenden Vorschlägen der erste, nämlich der, das Bürkner-Bendemannsche Album als Vereinsgabe zu wählen, angenommen.


Februar.

1) Sonntag. Am heutigen Tag wird tüchtig gearbeitet. Vom Morgen bis zum Tagesschluß bin ich an dem Entwurfe des Gegenstandes: „Saul will David tödten“.... Am Nachmittag eröffne ich das Kistchen mit dem Kupferstich nach dem Münchner Altarbild der evangelischen Kirche. Der Stich macht mir wirklich viel Freude. Barfus hat in der That mit großem Fleiße und mit sehr viel Gefühl die Arbeit durchgeführt. Sein brieflich ausgesprochener Wunsch, eine schriftliche, in Zeugnißform ausgestellte Erklärung von mir zu erhalten, welche, womöglich, mit dahin wirken soll, von der Königin Marie die Erlaubniß zu erhalten, ihr das Blatt widmen zu dürfen, soll erfüllt werden in einer Weise, die ihm nützlich sein wird.... Den Abend bringen wir bei Rietschel zu. Geh. Rath Weinlig, dessen Gemahlin, Sohn und Tochter sind zugegen. Die Unterhaltung ist außerordentlich lebhaft, Weinlig, wie immer, höchst interessant.

2) Montag. Der gestern erwähnte Entwurf kommt in den Morgenstunden vollends zu Stande. Steinbrecher bringt mir einen Abdruck seines nun vollendeten Blattes: „Gideons Sieg wider die Midianiter“. Das Blatt ist sehr gut gearbeitet. Es heißt nun ihm eine andere Zeichnung geben, und noch am Nachmittag beginne ich auf dem Holze zu zeichnen.... Abends Fortsetzung der Lesung des „Lucian“ von Auerbach. Diese Erzählung macht einen entsetzlich peinlichen Eindruck. Viel menschlicher Geist thut sich kund, aber die Tiefen und Höhen, die nur der heilige Geist erschließen kann, diese sind nicht ergründet, und darum nur Trostlosigkeit, inneres Elend, darum keine Befriedigung.

4) Mittwoch.... In der gestern erwähnten Angelegenheit (Erwerbung der Steinla’schen Sammlungen) beabsichtigte ich ohnehin Hettner aufzusuchen. Da ich nun noch höre, daß Hettner am Mittag mich aufgesucht, weil er in Angelegenheiten des Kunstvereins mit mir zu sprechen habe, so gehe ich gegen 5 Uhr zu demselben. Er theilt mir mit, daß General Baudissin dem Sekretär des Kunstvereins bereits eine schriftliche Austrittserklärung zugeschickt, und ist der Meinung, daß man suchen müsse diesen sehr begreiflichen, aber ebenso bedauerlichen Schritt rückgängig zu machen. Ich bin ganz seiner Meinung und werde gern das Meine dazu beitragen, um eine Wendung in den Angelegenheiten des Vereins, welche von sehr übeln Folgen sein kann, zu verhüten. Leider muß ich dann von Gonne, den ich zu Hause finde, erfahren, daß Baudissin schwerlich umzustimmen sein wird und daß die Gegner das Feld zu gewinnen alle Aussicht haben.... Abends liest die Hausfrau Auerbachs Erzählung „Lucian“ zu Ende. In keiner seiner Dorfgeschichten spiegelt sich sein Inneres so unverhüllt und deutlich als in dieser Erzählung. Deshalb ist es mir interessant, gerade diese Erzählung jetzt kennen gelernt zu haben. Der Ausdruck interessant drückt aber meine Empfindung so wenig aus, daß ich

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/176&oldid=- (Version vom 30.6.2024)