Sachsen stand. Allerdings wagten diese in den ersten Morgenstunden des nächsten Tages einen Angriff auf die österreichischen Vorposten vor dem Freiberger Schlage; allein sie wurden von den ausrückenden Feinden nicht nur zurückgedrängt, sondern auch in einem Gefechte bei Pennrich geschlagen und unter beständiger Verfolgung zu weiterem Zurückgehen veranlaßt. Von den aus der nahen Residenz kommenden Soldaten waren auch einzelne durch irgend welchen Umstand nach Plauen gerathen und statteten nun behufs Erpressung zwar nicht dem Dorfe selbst, aber den Mühlen einen Besuch ab. Es war am Montage früh gegen 5 Uhr, wie der damalige Pachter der Hofmühle, Friedrich Christlieb Wahle, den 15. Juni an Amtsstelle erzählte, als zwei österreichische Kavalleristen in seinem Grundstücke erschienen. Der eine Soldat ritt in den Hof, der andere sogar in das Haus. In der Wohnung traf dieser des Müllers Schwager, dem er ohne weiteres das Pistol auf die Brust setzte und die Uhr abverlangte, die er unter solchen Umständen auch sofort erhielt. Um einen Gegenstand von 15 Thalern an Werth leichter, mußte nun der Schwager auf des Soldaten Drängen den Müller holen, dem, als er erschien, unter Bedrohung mit der Schußwaffe ebenfalls die Uhr und 10 Thaler abgefordert wurden. Um weiteren Unannehmlichkeiten zu entgehen, schaffte dieser wohl die geforderte Summe, aber keine Uhr herbei, indem er behauptete, eine solche nicht zu besitzen. Augenscheinlich zufriedengestellt, ritt der Erpresser zu seinem noch im Hofe wartenden Kameraden und verließ mit diesem unbehelligt die Hofmühle.
Brachten ihren Bewohnern auch die nächsten Kriegsjahre noch mancherlei Beschwerden, so blieben jene doch vor größeren Uebeln bewahrt, was wohl hauptsächlich auf den Umstand zurückzuführen ist, daß die Hofmühle Staatseigenthum war und als solches von Freund und Feind eher geschont wurde. Daher kam es auch, daß die Einwohner Plauens, soweit sie nicht den Ort verlassen hatten, zuweilen für sich und ihr Vieh in der Hofmühle Zuflucht suchten, wenn auch nicht immer zu ihrem Vortheil. So hatte nach der Schlacht bei Dresden (den 26. und 27. August 1813) ein französischer Soldat den wohlhabendsten Bauern des Dorfes Plauen gerathen, ihr noch vorhandenes Vieh nach der Hofmühle zu bringen, um es vor einer möglichen Wegführung durch seine noch in Dresden lagernden Landsleute zu sichern. Die geängsteten Dörfler befolgten sofort den scheinbar so wohlgemeinten Rath – und am andern Morgen holten sich die Herren Franzosen 34 Stück Rinder in der Hofmühle ab.
Nach dem Eintritt ruhiger Zeiten erfuhr dieses Grundstück eine Erweiterung, indem im Jahre 1818 eine Oelmühle mit 16 Paar Stampfen, sowie mit einer Schlägel- und einer Keilpresse angelegt und für dieselbe nach der Weißeritzseite ein zweistöckiges Haus von 24 Ellen Länge und 22 Ellen Breite erbaut wurde. Um den mit der Zeit gesteigerten Anforderungen an den Betrieb der Oelfabrik möglichst gerecht zu werden, ließ der letzte Pächter und nachmalige Besitzer der Hofmühle, Bienert, in den Jahren 1860 und 1861 die Oelmühle nach den neuesten Erfahrungen umbauen, wodurch es künftig möglich wurde, in 24 Stunden 100 Zentner Oelfrucht zu verarbeiten, während bisher in dem gleichen Zeitraum und mit derselben Kraft nur 25 Zentner hatten bewältigt werden können. Wegen des erweiterten Betriebes mußten natürlich auch für die Oelraffinerie größere Räume beschafft werden, was Bienert dadurch erreichte, daß er für diesen Zweck ein neues Gebäude aufführen ließ.
Ueberhaupt verdankt die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach und nach recht in Verfall gerathene Hofmühle diesem überaus unternehmenden und thatkräftigen Manne, welcher sie am 1. Mai 1852 pachtweise übernahm und genau 20 Jahre später durch Kauf zu seinem Eigenthum machte, einen Aufschwung, den man früher nicht für möglich gehalten hätte. Dies konnte allerdings nur dadurch geschehen, daß Bienert nach und nach die alten Mühlengebäude sämmtlich beseitigen und an ihrer Stelle weit größere errichten ließ, in welchen alle neuen technischen Errungenschaften auf diesem Gebiete zur Anwendung gelangten. Bei der großartigen Umgestaltung der Hofmühle blieb zunächst noch immer der Mahlstein in Gebrauch; als dieser aber seit 1870 im Großmühlenbetrieb durch die Einführung von Porzellanwalzen verdrängt wurde, führte Bienert auch in seinem Etablissement die Walzenmüllerei mit bestem Erfolge ein, wodurch sich ein zweiter großer Neu- und Umbau nöthig machte, den er in den Jahren 1880–83 ausführen ließ. Auf die verschiedenen Neuerungen näher einzugehen, ist hier nicht die Absicht; nur darauf sei hingewiesen, daß die Hofmühle jetzt eine Weizen- und eine Roggenmühle, eine Oelfabrik mit Oelraffinerie und eine Bäckerei enthält, in welch’ letzterer 10 Backöfen aufgestellt sind. Jenseits der Eisenbahn befinden sich ein Magazin, das 50 000 Zentner Getreide fassen kann, und daneben ein großer Silospeicher, in welchem sich 25 000 Zentner unterbringen lassen.
1874 wurde von Bienert jenseits der Weißeritz eine Gasanstalt errichtet, um das Mühlengrundstück und das Dorf Plauen mit ausreichendem Lichte zu versehen. Seit einigen Jahren ist in der Hofmühle die elektrische Beleuchtung eingeführt. – Die 1875 ebenfalls von Bienert angelegte Wasserleitung versorgt Mühlenwerk und Gemeinde[1].
- ↑ Bearbeitet nach folgenden Aktenstücken des K. Finanzarchivs: Rep. XXII, Dresden 75a. – Rent. Cop. 1570 – Rent. Cop. 1594, Vol. 1 – Rep. XI. III, Loc. 37758, Amt Grüllenburg Nr. 3. – Rep. VI, Loc. 34154, Lit. P Nr. 64. K. Hauptstaatsarchiv Loc. 6148. Kriegserpressungen 1809.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/34&oldid=- (Version vom 18.9.2024)