in anderen benachbarten Orten aufhielt. In Basel und dessen Umgegend hat er allerdings seiner Angabe nach nur die Leute wegen des Schwörens getadelt, sonst jedoch keine Lehrthätigkeit in Glaubenssachen ausgeübt.
Dann aber wandte er sich nach Speier, dessen Verhältnisse damals besonders dazu angethan waren, einem Manne seiner Art eine fruchtbare Wirksamkeit für seine Geistesrichtung in Aussicht zu stellen. Zudem wirkte dort bereits als Schulrektor ein eifriger Gesinnungsgenosse, mit dem er einst studirt hatte: Peter Turnow aus Tolkemit am Frischen Haff.
Die Reichsstadt Speier lag, wie so manche andere ihres Zeichens, in fast unaufhörlichen Zwistigkeiten mit ihren Bischöfen, denen gegenüber sie die erworbenen und zum großen Theil ihnen abgerungenen Rechte und Freiheiten ebenso kräftig zu wahren und zu erweitern suchte, wie jene das entgegengesetzte Ziel mit allen Mitteln verfolgten. Im Sommer 1422 hatte Bischof Raban der Stadt die Fehde angesagt, dabei unterstützt von einer zahlreichen Bundesgenossenschaft geistlicher und weltlicher Fürsten und Herren. Eine besonders hervorragende Stellung in dieser nahm Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz ein, der schon lange mit dem Bischof in naher Beziehung stand; hatten sie ja doch nicht wenige Interessen gemeinsam.
Die Bürger hatten damals ein nahe vor der Stadt gelegenes Stift zerstört, das den demnächst zu erwartenden Belagerern hätte als Stützpunkt dienen können. Darauf war das Domkapitel und die Weltgeistlichkeit theils, wie schon früher in ähnlichen Lagen, aus der Stadt geflohen, theils vertrieben worden, und ihr Besitz war der Plünderung verfallen. Zwar zu einer völligen Einstellung des Gottesdienstes, die eines der wirksamsten Mittel zur Bändigung aufsässiger Gemüther war, kam es damit nicht, da die Bettelmönche, die es auch sonst mit der Bürgerschaft gehalten hatten, in der Stadt blieben. Und für die Hauptmasse der letzteren kam auch ein Abfall von der Kirchenlehre als solcher gewiß nicht in Betracht. Ergab sich doch sogar eine merkwürdige Thatsache: als nämlich draußen im Reiche die Rede entstand, die Speierer seien zur husitischen Ketzerei abgefallen, und als daraufhin König Sigismund vom Reichstage in Nürnberg den Markgrafen Friedrich von Brandenburg eigens zur Untersuchung der Sache in die Stadt sandte, gewann dieser den Eindruck, daß an ihrer Rechtgläubigkeit nicht zu zweifeln sei. Aber wenn beispielsweise in früheren Verhandlungen von den amtlichen Vertretern der Bürgerschaft betont worden war, der Bischof sei nur ihr geistlicher Oberer und habe als solcher schlechterdings keine Herrschaftsrechte über sie zu beanspruchen, so berührte sich das doch unmittelbar mit Meinungen, wie sie weiter oben gekennzeichnet wurden, und in der breiten Masse wurden solche Gedankengänge gewiß noch weiter fortgesponnen.
Die bezeichnete Fehde war nach kurzer Dauer durch einen königlichen Schiedsspruch beendet worden, der, wenn er auch die Selbständigkeit der Stadt nicht brach, doch sonst wesentlich zu ihren Ungunsten ausfiel. Kein Wunder also, wenn die Stimmung in der Bürgerschaft eine gereizte blieb oder nun erst recht wurde, mochte sie gleich thatsächlich auf längere Zeit hinaus nicht wieder zu einem gewaltsamen Ausbruch gelangen können.
Drändorff hat im Einvernehmen mit Peter Turnow ein längeres Manifest in lateinischer Sprache ausgearbeitet, welches mit reichlichen Belegen insbesondere aus der Bibel und aus Kirchenvätern nachzuweisen sucht, daß eine ungerechtfertigte Exkommunikation unwirksam sei, daß ferner die Laien in keiner Weise zu dem geforderten blinden Gehorsam gegenüber dem Klerus verpflichtet seien, daß endlich der letztere keinerlei Befugniß zur Ausübung weltlicher Herrschaft besitze. Diese Fesseln gelte es zu brechen, dieses Joch abzuschütteln. Interessant ist am Schluß noch die Aufforderung an die Leser, selbst die in Klöstern und Kirchen an Ketten angeschlossenen Bücher nachzuschlagen, in denen sie finden würden, daß alles Dargelegte wohl begründet sei.
War nun zwar in Speier für den Augenblick keine rechte Gelegenheit mehr, solche Grundsätze auch in die Wirklichkeit zu übertragen, so bot sich eine desto aussichtsreichere in einem schwäbischen Streithandel, dessen Mittelpunkt nur ungefähr zehn Meilen gegen Osten hin entfernt lag, und der die Gemüther in weiten Kreisen heftig bewegte.
Die Stadt Weinsberg hatte ihre Reichsfreiheit gegen Konrad, den Herrn der dortigen Burg, zu vertheidigen. König Sigismunds Gunst hatte sie diesem zu eigen gegeben, und Richtersprüche hatten die Verleihung bestätigt. Um den nichtsdestoweniger fortgesetzten Widerstand der Stadt zu brechen, die sich auf ein Bündnis von 33 Reichsstädten mit Augsburg, Ulm und Constanz an der Spitze stützte, war 1422 die Reichsacht über sie verhängt worden, und zu dieser gesellte sich 1424 noch die beim Papste erwirkte Exkommunikation durch den Würzburger Bischof, zu dessen Sprengel sie gehörte.
Dorthin sandte nun Drändorff aus Speier – und von jetzt an bedient er sich der deutschen Sprache – einen ebenfalls auf die weitere Oeffentlichkeit berechneten Brief, in dem er mit markigen Worten Bürgermeister, Rath und die ganze Gemeinde auffordert, sich durch den Bann nicht in ihrem gerechten Kampfe beirren zu lassen. Denn nach der Heiligen Schrift stehe der Geistlichkeit durchaus keine Befugniß zu, sich in weltliche Angelegenheiten einzumischen oder über sie zu urtheilen. Etwas abseits liegt ein Punkt, der am Schluß berührt wird, ist aber gerade recht geschickt ausgewählt,
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/28&oldid=- (Version vom 17.9.2024)