haben dieses Kodizill als Manuskript für die Interessenten drucken lassen. Ein Exemplar davon liegt in der Autographensammlung des Schlosses zu Sagan und darf mit Erlaubniß des Reichsgrafen von Hatzfeld, dem die Verwaltung der Herrschaft Sagan zusteht, veröffentlicht werden.
Die Bestimmungen zeigen das Herz einer edlen, zartgesinnten Frau. Ihrem ganzen Charakter nach ist sie auch hier gefühlsselig und pathetisch. Dabei denkt sie aber auch an die kleinen Dinge und Sorgen des Lebens; es fehlt nicht an nüchternen Wendungen. Neben den ihr gleichstehenden Personen sind es die Bediensteten, deren sie in großer Dankbarkeit gedenkt, vor allem der Familie ihres bewährten Dieners oder, wie er auch manchmal genannt wird, ihres Haushofmeisters.
Aus den einzelnen Vermächtnissen geht hervor, daß namentlich Neustädter zu ihrem Freundes- und Bekanntenkreise gehört haben; insofern hat dieses Kodizill, ein Dokument aus der Zeit der Empfindsamkeit, noch besonderes Interesse:
von mir eigenhändig niedergeschriebenes Codezil, von welchem in meinem dem hiesigen Neustädter Gerichte niedergelegten Testamente die Rede ist, gebe ich hierdurch in Kraft eines gerichtlich niedergelegten Testamentes.
Nr. 1. In diesem meinem Codezille thue ich an meinen verehrten Freund Tiedge die Bitte, daß Er, dieser mir Theuere, dessen geistreicher Umgang und treue Freundschaft seit dem Jahre 1804 meine Tage erheiterte und oft, wenn traurige Ereignisse für mich eintraten, als der Vertraute aller meiner Angelegenheiten meine Sorgen mir tragen half. Dieser edle Freund erfülle jetzt meine Bitte – Er beschließe seine Lebenstage in diesem meinem Hause, über welches ich in diesem Codezille disponiren werde.
Die vier an der Elbe liegenden Zimmer, mein Schlafzimmer, mein Besuchzimmer, das Speisezimmer, das diesem folgende Zimmer und das daran stoßende Sulzer’sche Zimmer, so auch der Raum, wo der Schwefelkasten steht, und das kleine Zimmerchen, in welchem Wilhelm sich täglich aufhält, diese 9 Zimmer nebst den zwei hier benannten kleinen Gemächern bestimme ich zu Freund Tiedge’s Wohnung. – Raum zu Holz, einen eignen Keller zu Wein muß Pappermann, dem ich mein Haus hinterlassen werde, Herrn Tiedge einräumen, und beide Räume müssen verschlossen werden können, und Herrn Tiedge müssen die Schlüssel eingehändiget werden.
Nr. 2. Pappermann, der schon im Jahre 1799 in meine Dienste trat, sich mir mit jedem Jahre nützlicher machte, sowie seine thätige Frau, welche seit dem Jahre 1808 mein inneres Hauswesen verwaltete, dabei meine Kammerfrau und treue Pflegerin ist, diesem mir werth gewordenen Paare, welches für meine häusliche Ruhe und Wohlfahrt, so lange sie in meinem Dienste sind, mit Kluger Umsicht und Treue unermüdet sorgten und fortdauernd Sorge tragen; für diese meine beiden treuen Diener, die in meinem Dienste alt und kränklich geworden sind, halte ich es für meine Pflicht, nach Möglichkeit zu sorgen; und so legire ich meinen redlichen Pappermanns mein Haus, den Garten, das Gartenhaus mit der dazu gehörenden Umzäunung, für 12 000 Thlr. preuß. Cour., so daß dies Eigenthum gleich nach meinem Tode auf ihn übergehe, er aber in der Nutznießung während der Lebensdauer meines edlen Freundes Tiedge den Beschränkungen unterworfen bleibe, über welche ich in diesem Codezille hiermit disponire.
Nr. 3. für dieses, meinem redlichen Pappermann hinterlassenes Grundstück soll er meiner Verlassenschaft die oben benannten 12 000 Thlr. gewähren. Auf diese Summe sind jedoch die 4850 Thlr. sächs. Cour., welche ich dieser Familie schuldig bin, in Gegenrechnung zu bringen. Die mir übrig gebliebenen 7150 Thlr. soll Pappermann erst ein halbes Jahr nach Tiedges Tode denjenigen auszahlen, welchen ich Vermächtnisse hinter lasse, die von diesen 7150 Thlr. entnommen werden sollen, und deren Anwendung ich in diesem Codezille weiterhin bestimmen will.
Nr. 4. Pappermann übertrage ich die Pflicht, daß er, so lange Herr Tiedge lebt, diesem meinem verehrten Freunde die Wohnung in diesem Hause möglichst an genehm mache und stets bereit sey, wenn Herr Tiedge von ihm eine Dienstleistung wünscht, er diese willig vollziehe, wie dies während meines Lebens stets der Fall war. Pappermann vermiethet die andern Wohnungen, die nicht zu Herrn Tiedges Zimmer gehören; doch darf Pappermann den Gartensaal ohne Herrn Tiedges Zustimmung nicht vermiethen, auf daß meinem verehrten Freunde der Aufenthalt im Garten, in schönen warmen Tagen, nicht durch die Gegenwart des Bewohners vom Gartensaale verleidet werde, wenn Tiedge in einsamen Stunden allein oder in einem erwählten Kreise im Garten froh seyn will. – Pappermann versorgt Herrn Tiedge, wenn die Weintrauben reif sind, täglich, so viel Herr Tiedge will, mit den allerschönsten Trauben, und Pappermann sage sich dann, daß er mir im Grabe seinen Dank durch jeden Dienst erweiset, den er Herrn Tiedge leistet, wofür ihn Gott segnen wird.
Nr. 5. Es bedarf wohl nicht der Erinnerung, daß das Zimmer seiner Frau mit dem daran stoßenden Gange und dem blauen Zimmer nicht zu den zu vermiethenden gehören. Von der Miethe, welche Pappermann jährlich einnimmt, bestreitet er folgende Kosten, welche das Haus jährlich bedarf, doch braucht er Niemand
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/250&oldid=- (Version vom 17.10.2024)