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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/217

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mit Bösem vergolten und ein Verhältniß zerstört, aus welchem uns allen viel Gutes hätte erwachsen können.

4) Montag ... Nach 3 Uhr begebe ich mich nach Rietschels Atelier. Wie mir Rietschel vorgestern [richtiger: gestern] sagte, hat Donndorf aus des Meisters Auftrag an dem Kopf der Lutherstatue mehrere Aenderungen vorgenommen. Rietschel wünscht, daß ich den veränderten Kopf nun sehe und mein Urtheil darüber ausspreche. Die Statue (in Gyps) steht im Garten, um die Wirkung im Freien beurtheilen zu können. Ich glaube, daß die Aenderungen Donndorfs in Wesentlichen glücklich sind und die Individualität des Reformators kräftiger und charakteristischer geben. Einige Milderungen in der Ausprägung der Formen und Züge rathe ich an, um auf eine richtige Mitte zu lenken[1] ...

5) Dienstag. Fortsetzung der Durchsicht der Erklärungen ... Die Tochter der Herodias mit dem Haupt des Johannes ist allerdings nicht richtig aufgefaßt, doch sehe ich keine Möglichkeit einer Aenderung, ohne den Bau der ganzen Erklärung zu zerstören ... Ich gehe nach Rietschels Atelier, um zu sehen, was Donndorf noch an dem Kopf gethan hat. Die Statue ist wieder unter Dach und Fach, Donndorf selbst nicht zugegen. Ich sehe aber den Kopf genau an und finde, daß derselbe seit gestern noch sehr gewonnen hat. Hierauf gehe ich zum Meister, bei welchem ich seine Tochter Adelheid und Herrn Inspektor Trautschold finde, und erstatte ihm Bericht über die Ausführung seiner Wünsche. Rietschel scheint sehr zufrieden zu sein mit der Weise, in welcher sein Auftrag ausgeführt worden ist ... Abends vereinigt sich unser Kränzchen bei mir ... In der vorigen Versammlung kam die Rede auf die Kopfbildung Napoleons I. und ich hatte versprochen, heute die Maske zu zeigen, was ich denn auch thue. Es sind alle von der Größe dieses Angesichts, dessen Hoheit auch durch den Tod nicht zerstört werden konnte, wohl aber einen versöhnenden Ausdruck des Leidens gewonnen hat, tief ergriffen.

6) Mittwoch. Fortsetzung der Durchsicht der Erklärungen. Ich ändere doch noch die Beschreibung der Tochter der Herodias. Bei der Beschreibung des Bildes: „Maria Magdalena suchet den Herrn und findet ihn nicht“ kommt die arme Magdalena, d. h. meine gezeichnete Magdalena, so übel weg (die Stellung wird als unweiblich, unnatürlich etc. bezeichnet), daß ich bedeutend verstimmt werde. Die Figur ist in der Ausführung und in der Gewandung mißglückt, aber in der Intention, meine ich, nicht. Da ist nun aber nichts zu machen. Es ist keine falsche Auslegung, die ich ändern könnte, sondern ein Tadel, den ich mir gefallen lassen muß und gefallen lassen will, um zu zeigen, daß die Erklärungen nicht da sind, um meine Bilder zu loben[2] ... Donndorf bestellt mich auf morgen. Abends sind Juniors bei uns ... Wir nehmen das Gespräch über die Darstellungen der Leidensgeschichte Christi in Oberammergau wieder auf und ich sehe mich veranlaßt, mich Wackernagels insoweit anzunehmen, daß ich den Kernpunkt der Frage hervorhebe, welcher in der Darstellung der Kommunion liegt, gegen welche Wackernagel eifert und welche auch ich nicht billigen kann ... Ludwig wehrt sich und meint immer, man wolle seiner Kunst aus einer gewissen Geringschätzung vorenthalten, was man den andern Künsten zugesteht. Endlich scheinen auch da die Wetterwolken abzuziehen, und die Hymnen des Lobes und Dankes erheben sich wieder zum blauen Himmel. Die Unterscheidung zwischen dem geschichtlichen Vorgang und dem Sacrament, das nur wirklich vollzogen, aber nicht „gespielt“ werden darf, kommt zu ihrem Recht.

7) Donnerstag ... Nachmittag verfüge ich mich wieder in das Rietschelsche Atelier, um den Lutherkopf zu sehen. Donndorf hat die angerathenen Aenderungen gemacht und ich glaube, der Kopf hat sehr gewonnen. Jetzt ist der Luther-Typus klar ohne Derbheit ausgeprägt und der Kopf wird gut wirken. Aus dem Atelier gehe ich zu Rietschel in die Wohnung, um ihm Bericht zu erstatten. Ich finde seine Frau, Tochter Adelheid, Schwägerin Seebeck und Inspektor Trautschold bei ihm. Rietschel findet sichtlich eine Beruhigung darin, daß ich mich seines Auftrags eifrig angenommen habe. Er wünscht nur noch, daß ich Se. Maj. den König, welcher demnächst die Luther-Statue sehen wird, empfange. Gerne unterziehe ich mich auch diesem ehrenvollen Auftrag ...

(Schluß in nächster Nummer.)


  1. In seinem weiter unten unter dem 4. März erwähnten, mir in eigenhändiger Abschrift vorliegenden Gutachten äußert sich Schnorr über den Vorgang folgendermaßen: „Diesem ist noch beizufügen, daß Rietschel, als er eine Veränderung an dem Kopfe Luthers für nothwendig erachtete, die er nicht mehr selbst unternehmen konnte und deren Ausführung er Donndorf übertrng, mir sagte: ich habe das volle Vertrauen zu Donndorf, der sich in mein Werk ganz eingelebt hat, daß er diese Aenderung in meinem Sinne ausführen wird. Rietschel bat mich dann, dem Donndorf bei der Arbeit zur Seite zu stehen, weil ihm dieses noch zur Beruhigung gereichen würde.“ Bei Gelegenheit des 1883 entstandenen Streites über Rietschels „echten“ Luther-Kopf ist von mir aus Schnorrs Tagebüchern schon einmal durch den Druck veröffentlicht worden, was als urkundliches Zeugniß zur Feststellung der Wahrheit zu dienen geeignet war: Dresdner Anzeiger vom 20. Juli 1883, S. 15 f.
  2. In der gedruckten Erklärung zu dem Blatte 220 liest man: „Der Maler zeichnet sie mit übergeschlagenen Beinen, trostlos unterwärts gefalteten Händen, aufgelöstem Haare, verschleiertem Haupte an die Felsenpforte gelehnt ... Es ist eine unweibliche, der mannhaften Magdalena nur in der Verzweiflung des Schmerzes mögliche Stellung ...
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/217&oldid=- (Version vom 13.9.2024)