verschonen. Das große Kirchenbild von Engerth in Prag ist auch nicht viel werth. Die Bildhauerarbeiten ziehen mich nicht sehr an, dagegen sehe ich mit Freude die Kartons von Dietrich und Gey; auch des Ersteren allegorische Figuren und das Porträt seiner Braut zeichnen sich aus. Koopmanns Zeichnungen gefallen mir heute noch weniger als neulich. Wo bleibt da das Deutsch-Nationale, von welchem mein Freund mit soviel Pathos spricht?[1] ...
25) Mittwoch ... Hübner liest mir seinen Artikel fürs Dresdner Journal über die neue Erwerbung vor. Er hat mir diesesmal die Ehre gegeben, mich voranzustellen ...
26) Donnerstag ... Heute wird also wirklich der Troubadour aufgeführt. Wir gehen ... in das Theater, nicht ohne Spannung, weil Ludwig erklärt hatte, sich sehr ermüdet zu fühlen. Die ersten Strophen, die er noch hinter den Koulissen sang, elektrisierten uns. Die Stimme ist gar zu schön. Die Musik ist freilich entsetzlich, bei alledem machte es uns großes Vergnügen, der Aufführung beizuwohnen. Ludwig sang und spielte vortrefflich und wurde viel gerufen ... Der Herzog von Meiningen, der Kronprinz und Prinz Georg hörten die Oper mit an; der alte Herzog mit sichtlichem Wohlgefallen.
27) Freitag ... Museum. Ich erfreue mich heute in aller Ruhe unserer neuen Erwerbungen und auch der durchaus vortheilhaften Aufstellung der Bilder. Nicht nur, daß dieselbe durch die nöthig gewordenen Veränderungen in der früheren Aufstellung den älteren Bildern nicht nachtheilig geworden, so machen die beiden Wände, deren Bilder umgehangen werden mußten (Saal D und Abtheilung 1), im Ganzen eine viel schönere, ich möchte sagen feierlichere Wirkung als früher ...
29) Sonntag ... Später kommt Professor Jos. Keller aus Düsseldorf, der nun endlich seine – oder vielmehr Schurigs – Zeichnung nach der Raphaelschen Madonna beendigen wird.
August.
2) Donnerstag ... Museum. Der Kronprinz und die Kronprinzessin sind kurz vor mir in die Galerie eingetreten, um die neuen Erwerbungen zu sehen. Ich finde die Herrschaften vor dem Luca Signorelli ... Ludwig ist Gegenstand freundlicher Aeußerungen ... Gaber hat mir einen Probedruck des Blattes „Die Ausgießung des heiligen Geistes“ gesendet. Es ist, wie sich von selbst versteht, sehr schön gearbeitet ...
3) Freitag ... Nach Tisch erhalte ich einige Zeilen von einem Baron von Pfuel aus Liebenstein bei Eisenach mit der Frage: ob über der Sixtinischen Madonna ein Glas befindlich ist oder nicht. Er hat dieses einem andern Badegast gegenüber behauptet, und da dieser es verneint, eine bedeutende Wette eingegangen, welche durch meine Antwort entschieden werden soll. Mir macht die Sache Vergnügen, da sie mir ein Beweis ist, daß solche Besucher der Galerie, welche vor dem Raphaelschen Bilde den rechten Standpunkt einnehmen, das Glas gar nicht bemerken. Schon der König von Preußen fragte bei seinem ersten Besuch der Galerie vor dem Bilde, ob es ein Glas habe[2]. Ernst Förster richtete dieselbe Frage an mich ...
4) Samstag ... Ich vergaß gestern zu notieren, daß ich mir das in unserer Ausstellung seit einigen Tagen ausgestellte Bild von Louis de Taeye in Antwerpen betrachtet habe. Es stellt die „Schlacht bei Poitiers“[3] vor, hat in Belgien großes Aufsehen gemacht und ist von der dortigen Regierung angekauft worden. Ich sah das Bild mit großem Interesse und werde es noch öfter betrachten, um zu lernen. Das Bild, das in seiner Konzeption meinen Beifall nicht hat, ist sehr tüchtig und mit sorgfältigen Studien gemacht und die Technik ist eine durchaus gesunde und klare ...
6) Montag ... Museum. Gruner bringt mir die Zeichnung von Holbein zum Porträt des Th. Morett, die er soeben aus London erhalten hat, in die Galerie. Wir betrachten sie zusammen vor dem Holbeinschen Gemälde. Die Zeichnung stimmt vollkommen mit demselben. Auf der Rückseite sind interessante Bemerkungen geschrieben. Man erfährt unter anderm daraus, daß Morett ein Franzos war, der nach England auswanderte. Auch wird gesagt, daß Hollar nach dieser Zeichnung seinen Stich ausgeführt habe. Die Zeichnung wird im Holbeinzimmer aufgehangen und trägt nicht wenig dazu bei, die neuen Erwerbungen als epochemachende in der Geschichte der Galerie erscheinen zu lassen. Ich begleite Gruner dann in sein Handzeichnungs-Kabinet, wo er mir auch die anderen neuerworbenen Handzeichnungen (es mögen deren etwa 50 Stück sein) zeigt. Es sind sehr ausgezeichnete darunter. Eine von Michael Angelo, andere von Fiesole, von Luca Signorelli, von Perugia gehören wohl zu den interessantesten und schönsten ...
7) Dienstag ... Museum. Schirmer theilt mir mit, daß die Holbeinsche Originalzeichnung zum Th. Morett nach Gruner noch neue Entdeckungen in Betreff der Persönlichkeit des Dargestellten erwarten läßt. Es hat zwei Morett gegeben, von denen der eine ein aus Frankreich ausgewiesener General war, der sich zur Zeit der Regierung Heinrichs VIII. nach England flüchtete. Unser Porträt stellt wahrscheinlich den General und nicht den Goldschmied vor ...
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/206&oldid=- (Version vom 11.9.2024)