in gleicher Weise erbaut und an den beiden Fronten mit den nämlichen Bildwerken geziert. Es enthielt einen dreifachen Durchgang, der mittelste war doppelt so hoch, wie der seitliche. Die beiden Seitenpforten flankirten je zwei dorisirende Säulen, die einen dreieckigen Giebelaufbau trugen. Ueber der linken Pforte sah man das Kurwappen, über der rechten das Wappen des Herzogthums Sachsen. In den Giebeldreiecken zu beiden Seiten war je eine Büste eines bärtigen Mannes mit Helm und großem Helmbusche angebracht. Die Spitzen der Giebel zierten auf Sockel gestellte, überlebensgroße Ritterfiguren in voller Rüstung, auf deren Schilde Provinzwappen gemeißelt waren. Der überhöhte Mittelbau trug in einer großen Nische das Reiterstandbild des Kurfürsten Christian I. auf galoppirendem Pferde in Vorderansicht, darüber im dreieckigen Giebel eine Männerbüste. Es befanden sich demnach von figürlichem Schmucke am Ein- und Ausgange des Pirnischen Thores: sechs Büsten, zwei Reiterdenkmale und vier überlebensgroße Rittergestalten, von denen Weck sagt: „Zu beyden Seiten aber seyend zweene gerüstete Männer, fast in Größe zweyer Riesen gleich, als Schildwachten, so gleicher Gestalt aus Steine gehauen“.
Bei der Belagerung Dresdens im Jahre 1760 wurden die beiden Reiterdenkmale verstümmelt, später ganz entfernt und an ihrer Stelle Trophäen angebracht. (Gurlitt, Bau und Kunstdenkmäler Sachsens, Heft 22, S. 331.)
Der behelmte Männerkopf aus Sandstein, der sich im Stadtmuseum befindet und vom Pirnischen Thore stammt, gehörte, wie die unbearbeitete Rückseite zeigt, zu einer der Büsten. Er ist trotz seiner derben Auffassung kein zu unterschätzendes Werk, was wir an der trefflichen Bildung der noch gut erhaltenen Augenpartie ersehen können. Besonders der Helm ist sehr schön und von fleißigster Durchbildung. Er zeigt an den Seiten in Flachrelief, die im 16. Jahrhundert so beliebte Treibarbeit bei Rüstungen nachahmend, eine weibliche Figur in Perlschnurumrahmung.
Die Wirkung der Bildwerke müssen wir uns noch durch eine reiche Vergoldung erhöht vorstellen, so daß z. B. der Küraß des Kurfürsten wie goldtauschirt aussah. Ob beide Reiterbildnisse bunt bemalt oder Roß und Reiter ganz vergoldet waren, können wir aus der Zahlung, die Zacharias Wehme hierfür erhielt, nicht mehr ersehen. In dem oben erwähnten Schriftstück des Hauptstaatsarchivs liegen zwei Skizzen, die das Reiterdenkmal von der Seite zeigen. Die eine ist in Farben ausgeführt, braunes Pferd mit rothem Federkopfschmuck, der Kurfürst in schwarz-blauer goldtauschirter Rüstung und Helm mit rothem Federbusch, die andere Skizze ganz in Gold. Für die erstere verlangte der Maler Wehme 35 Fl., für die Ausführung der zweiten 90 Fl. Die Abbildung der ersten Skizze ist hier beigefügt.
Kunstgeschichtlich von höchstem Interesse für uns sind die Reiterbildnisse des Kurfürsten auf galoppirendem Rosse. Das Motiv des springenden Pferdes tritt bei uns in Deutschland, Italien gegenüber, wo Leonardo da Vinci bereits am Anfang des 16. Jahrhunderts ein solches Modell schuf, verhältnißmäßig spät auf, war aber seit den Zeiten der Renaissance ein von den Künstlern eifrigst erstrebtes und viel versuchtes Problem. Nicht nur in künstlerischer, sondern auch in rein technischer Hinsicht stellten sich den Bildhauern hierbei enorme Schwierigkeiten entgegen und nur wenigen war das Glück beschieden, daß ihrem Können sich auch günstige Nebenumstände, wie friedliche Zeit und die Gunst der Arbeitsverhältnisse, helfend zur Seite stellten. Deshalb besitzen wir nur eine geringe Anzahl solcher Denkmäler. Wenn man bedenkt, daß bei der aufgebäumten Stellung des Pferdes die ganze Last des Monumentes nur geringe Stützpunkte an den hinteren Pferdehufen und etwa dem herabhängenden Schweife findet, so kann man sich leicht erklären, daß ein solches Denkmal zu fertigen sich nur ein Künstler zutrauen durfte, der die Schwergewichtsberechnungen völlig beherrschte und das größte Selbstvertrauen zum eigenen Können besaß. Als einen solchen müssen wir unseren Meister Andreas Walther ansprechen, dessen Reiterdenkmale am Pirnischen Thore wohl die frühesten ihrer Art sind, die bis jetzt in Deutschland bekannt wurden. Aus späterer Zeit, 1736, besitzen wir in Dresden das noch erhaltene Reiterdenkmal Augusts des Starken auf springendem Pferde. Nach ausländischen Anregungen hierzu brauchen wir nicht mehr zu suchen, nachdem wir wissen, daß zu der Zeit, in der der Auftrag auf dieses Reiterdenkmal ertheilt wurde, die Werke des Andreas Walther noch unzerstört am Pirnischen Thore zu sehen waren. Ob die Reiterdenkmale am Pirnischen Thore ganz frei in den Nischen standen oder, wie es nach der Abbildung in Wecks Chronik den Anschein haben könnte, der hintere Theil des Pferdes mit der Rückwand der Mauernische verbunden war, ist nicht mehr zu entscheiden. Die hier abgebildete Skizze zeigt das Pferd in Seitenansicht frei; ebenso zeigt auch ein Kupferstich von J. Gömpel vom Jahre 1679, der das Pirnische Thor abbildet, das Pferd völlig frei und nicht mit der Mauer verbunden.
Vom 17. Jahrhundert an finden wir dieses interessante Motiv des galoppirenden oder kurbettirenden Pferdes außer als Denkmal in Stein und Bronze auch recht häufig gemalt und in Kupfer gestochen. Von sächsischen Medaillen zeigt es zuerst die von 1601 auf Kurfürst Christian II., von dem Nürnberger Medailleur Valentin Maler ausgeführt. (Abgebildet bei Tentzel Tab. 25.)
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/106&oldid=- (Version vom 28.8.2024)