Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Das Konfirmationskleid.
In Nordberlin, im Hinterhaus vier Treppen,
wohnt ein Student. Er war nicht reich; doch arm,
blutarm war seine Wirtin, eine Witwe.
Die sass in ihrem düstern Hinterstübchen,
das bleiche, hübsche, vierzehnjähr’ge Gretchen.
Sie stand vor ihr, als wär’ sie schuldbewusst,
und liess das Köpfchen hängen; ihre Mutter
schalt auf sie ein mit ihrer harten Stimme:
Für’n lieben Gott! Was? – Frag doch mal den Pastor,
ob denn auch die, die nicht mal so viel Geld
bekamen, um in einem ganzen Kleide
des Sonntags in die Kirche gehn zu können,
Geh, frag ihn … aber bitt mich nicht um Geld
Und Kleider … freu dich, wenn du nicht verhungerst …«
Und weinend wendet Gretchen sich zur Thür.
Da kommt ihr ein Gedanke. »Mutter«, ruft sie,
Was lachst du?« – »Das ist recht! Nur zu!
Es muss ja doch mal kommen. Geh nur hin!« –
»Ich glaube, Mutter, dass er’s thut.« – »Gewiss
Er wäre ja ein Narr, wenn er sich zierte!«
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 294. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/300&oldid=- (Version vom 4.1.2024)