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Verschiedene: Die zehnte Muse |
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Vergebens spähte ich umher,
Ob nicht ein Buch ich fände –
Fand nichts, als auf dem Putztisch nur
Auf einem stand von müder Hand
»Die Mutter ihrer Hana.«
Das war das neue Testament –
Das and’re –- Zola’s »Nana.«
Im Strafhause.
Mich trieb’s trotz einem heimlich stillen Grauen
Hinein ins Strafhaus, das am Strome lag,
Um die Gefangnen und ihr Thun zu schauen.
Es war im Herbst und golden klar der Tag.
Da stand ich nun in einem langen Gang,
Den raschen Flugs mein Auge scheu durchirrte.
Es folgte Thür auf Thür die Wand entlang.
Die erste wurde mir jetzt aufgeschlossen:
Darin ein Schwarm Gefangner unverdrossen
Die flinken Hände rührte mit Geschick.
Ich suchte zu erforschıen ihre Mienen
Und blickte jedem tief ins Angesicht;
Verbrecher las ich doch aus ihnen nicht.
In sich versenkt, wie völlig fremd dem Leben,
Und ohne jeden Blitz der Leidenschaft,
Mit stiller Fassung ihrem Los ergeben,
Dabei noch bartlos, kahl das Haupt geschoren,
Sah’n sie, dem Kleid zu Trotz, wie Mönche aus.
Die selbst die Abgeschiedenheit erkoren,
Die Sünde fliehend und das Weltgebraus.
Da fiel mir’s auf: that er nur einen Schritt,
Rührt’ er sich noch so leis an meiner Seite,
So war’s, als zuckte jeder Sträfling mit.
Griff er nach etwas, um es mir zu zeigen,
Doch sah er keinen an und wies mit Schweigen
Sie wieder fort, als ob’s nicht recht ihm sei.
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/291&oldid=- (Version vom 31.7.2018)