Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Viel Jugend sah er dort sich drängen
Es wiegten sich nach frohen Klängen
Herrjeh! Die Mädel können tanzen!
Ja, die verstehn’s und sind dabei!
Meist tanzen sie zu zwei und zwei,
Erst wenige mit ihrem Schatz . . .
So recht weit hinten in der Eck’,
Und dann schaut er aus dem Versteck
All dem Getriebe und Getu’
Mit teilnahmsvollem Auge zu.
Denkt er, „soll nun die Meine sein?
Die Blonde mit der blauen Bluse?
Nicht schlank genug für meine Muse! . . .
Die Schwarze mit der roten Taille?
Vielleicht die Kleine dort in weiss?
Die ist zu wild, sie tanzt so heiss! . . .
Da drüben die Brünette? Nein, –
Zu schön! Das könnt’ gefährlich sein! . . .“
Mit Fragen sich und Zweifeln quälend,
Sitzt er gar lange in Gedanken . . .
Bis von den Runden und den Schlanken,
Die er so prüfend wägt und misst,
Weil so von Schlanken wie von Runden
Nun jede einen Schatz gefunden,
So dass allein und trist zum Schluss
Der Maler heimwärts wandern muss.
* *
Warum dies eine Fabel ist.
Jedoch, Herr Leser, nimm mal an,
Du selber seist der Malersmann,
Und setze für das Tanzlokal
Dann denke nach und schweige still,
Dann weisst du, was ich sagen will;
Dann weisst du, wie viel Schönes schon
In deinem Leben dir entfloh’n,
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/259&oldid=- (Version vom 31.7.2018)