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Seite:Die zehnte Muse (Maximilian Bern).djvu/257

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Verschiedene: Die zehnte Muse

Eigene Grösse.

Hoch auf dem Kirchendach das Gras –
Der allerhöchste Baum ist das.
Es hebt die Hälmlein, reckt den Schaft
Und weit in alle Lande gafft;

5
Und spricht zum Eichbaum: Liebes Kind,

Nimm dich nur ja in acht beim Wind,
Und sieh auf mich; ich zittre nicht,
Wenn alles um mich biegt und bricht.
Was sich nicht selber hält, muss purzeln;

10
Es geht nichts über tiefe Wurzeln!


Richard Leander.




Der Kater.

Ein Kater lebte lange Zeit
Zufrieden in der Ehe,
Bis ihn die Ungenügsamkeit
Erfasst mit ihrem Wehe.

5
Er hält sein Leben für gering

Und sich für ein verächtlich Ding
Und martert Weib und Kinder.

Der Kätzin geht gar tief der Schmerz
Des Gatten zu Gemüte,

10
Sie drückt ihn weinend an das Herz

Und spricht mit Lieb’ und Güte:
Dort geht die Sonn’ im Himmelsblau,
Die mächtigste, die grösste Frau,
Geh’ hin, um sie zu werben.

15
Der Kater geht von Hof und Haus

Und neigt sich vor der Sonne:
Allmächtig bist du, teilest aus
Auf Erden Licht und Wonne.
Die Sonne fällt ihm schnell ins Wort:

20
Nein, mächt’ger ist die Wolke dort,

Die kann mich ja verdunkeln.

Der Kater spricht zum Wolkenschiff,
Das eben Anker löste
Von einem hohen Felsenriff:

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Halt an, du bist das Grösste!

Die Wolke, ein geschmeichelt Kind,
Errötet leicht und seufzt: Der Wind,
Der mich vertreibt, ist grösser.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/257&oldid=- (Version vom 31.7.2018)