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Seite:Die zehnte Muse (Maximilian Bern).djvu/246

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Verschiedene: Die zehnte Muse

Sprachenkampf.

Zu Aesops Zeiten sprachen die Tiere,
Die Bildung der Menschen ward so die ihre;
Da fiel ihnen aber mit einmal ein,
Die Stammesart sollte das Höchste sein.

5
Ich will wieder brummen sprach der Bär,

Zu heulen war des Wolfs Begehr,
Mich lüstets, zu blöcken, sagte das Schaf,
Nur Einer, der bellt, schien dem Hunde brav.
Da wurden sie wieder allmählich Tiere

10
Und ihre Bildung der Bestien ihre.


Franz Grillparzer.




Die Wachtel und ihre Kinder.

Hoch wallte das goldene Weizenfeld
Und baute der Wachtel ein Wohngezelt.
Sie flog einst früh in Geschäften aus
Und kam erst am Abend wieder nach Haus.

5
Da rief der Kindlein zitternde Schar:

Ach, Mutter, wir schweben in grosser Gefahr!
Der Herr dieses Feldes, der furchtbare Mann,
Ging heut mit dem Sohn hier vorbei und begann
Der Weizen ist reif, die Mahd muss gescheh’n,

10
Geh, bitte die Nachbarn, ihn morgen zu mäh’n,


     O, sagte die Wachtel, dann hat es noch Zeit!
Nicht flugs sind die Nachbarn zu Diensten bereit.
Drauf flog sie des folgenden Tages aus
Und kam erst am Abend wieder nach Haus.

15
Da rief der Kindlein zitternde Schar:

Ach, Mutter, wir schweben in neuer Gefahr!
Der Herr dieser Feldes, der furchtbare Mann,
Ging heut mit dem Sohn hier vorbei und begann:
Uns liessen die treulosen Nachbarn im Stich!

20
Geh rings nun zu unsern Verwandten und sprich:

Wollt ihr meinen Vater recht wohlgemut seh’n,
So helfet ihm morgen sein Weizenfeld mäh’n!

     O, sagte die Wachtel, dann hat es noch Zeit!
Nicht flugs ist die Sippschaft zur Hilfe bereit.

25
Drauf flog sie des folgenden Tages aus

Und kam erst am Abend wieder nach Haus.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/246&oldid=- (Version vom 31.7.2018)