Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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So lag er da. Dem Aermsten war wohl.
Sein Lebtag nicht so ruhig gelegen
Und schien nach hartem und herbem Tun
Gewillt, sich in Ewigkeit auszuruh’n.
Und dass im dämmernden jungen Tag
Das war ihm wirklich zum ersten Mal
Total egal.
Die Uhr schlug acht. Auf den Korridoren
Begannen die Studios schon zu rumoren;
Spassten die künftigen Medici.
Noch fröhlich von gestrigen Gelagen
Taten sie höchst verfängliche Fragen,
Kamen dann mit dem Alten herein
Taten prüfend die Laken verschieben –
Einer war mager, und einer war fett;
Lagen so friedlich Bett an Bett
„Nummer Zehn“ und „Nummer Sieben“. . .
Die Operation ist trefflich geglückt,
Auch war ich vom Heilverlaufe entzückt.
Sind beide gestorben. Da wüsste man gern,
Was in diesem Körper die Kräfte gemindert
So sprach der Treffliche ohne gleichen
Und liess sich die zierlichen Messer reichen,
Mit denen in ihrer sterblichen Blösse
Die geistverlassenen Erdenklösse,
Noch wissenschaftlich durchstöbert werden;
Auf dass man kann zu der Menschheit Segen
Mit neuen lateinischen Namen belegen,
Was noch zum Trotz aller Menschenlist
Das Tote wird das Lebende lehren,
Kadaver-Weisheit, nicht zu umgeh’n –
So schnitten und spalteten Messer und Scheren
„Nummer Sieben“ und „Nummer Zehn“.
Erwies sich’s, dass Krankheitsart und Gefahr
Zwar von der Wissenschaft nicht gebannt,
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/211&oldid=- (Version vom 31.7.2018)