Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Für mich ist er ein wahrer Schatz.
Doch räum’ ich dir sogleich den Platz,
Wenn du gestehst, dass du geirrt
Und deine Lehre nur verwirrt.
Der Lehrer – nein, das thu’ ich nicht!
Was meine höh’re Einsicht fand,
Weicht nicht dem platten Volksverstand.
Der Schüler sprach: Ich warne dich,
Der Lehrer starb am Sonnenstich,
Der munt’re Schüler lebt noch heute
.
Theosophie.
Ich denke Gott mir, sprach die Mücke,
Vieltausendmal so gross als mich;
In ew’gem Glanz, in ew’gem Glücke
Susurrend tanzt und sonnt er sich.
Selbst Meister Spatz hat mind’re Kraft.
Ich bin – sagt meine Bibel – nur
Sein Ebenbild in Miniatur.
O Blasphemie! sprach da die Katze:
Mit Stahlgebiss und Eisentatze,
Und maut er, schallt’s wie Sturmesdräun;
Selbst wenn er selig ruhend schnurrt,
Erdröhnt’s, wie wenn der Donner murrt.
Sein Ebenbild in Miniatur.
O Blasphemie! sprach da der Weise,
Der Denker Mensch: die Hand des Herrn
Hält liebend alle Welt im Gleise,
Wie ich als Kinderstubenheld
Treibt er’s im Grossen in der Welt.
Ich bin – sagt meine Bibel – nur
Sein Ebenbild in Miniatur.
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/183&oldid=- (Version vom 31.7.2018)