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Seite:Die Werke italienischer Meister (Morelli).pdf/196

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etwas beschrieben hätte von menschlicher Maß zu machen, als einen Mann, Jacobus genannt, von Venedig geboren, ein guter, lieblicher Maler. Nun hätte Dürer schwerlich dieses „von Venedig geboren“ hinzugefügt, wenn seine erste Begegnung mit Jacobus erst 1494 in Venedig selbst statt gehabt hätte. Er fährt sodann fort: „Der wies mir Mann und Weib, die er aus der Maß gemacht hatte, so daß ich in dieser Zeit lieber sehen wollte, was seine Meinung gewesen wäre, denn ein neu Königreich u. s. w.“ „aber“, fügt er hinzu, „ich war zu derselben Zeit noch jung und hatte von solchen Dingen nie gehört.“ Dürer war zu jener Zeit, d. h. 1490, etwa 19 Jahre alt. Diese meine Hypothese findet einen weiteren Stützpunkt in der Lehrzeit des Malers Hans von Kulmbach, welcher, wie bekannt, mit Recht als Schüler des Jacobus de’ Barbari angesehen wird und der um 1490 etwa 13 oder 14 Jahre gezählt haben dürfte[1]. Doch, sei dem nun wie ihm wolle, als sehr glaubhaft erscheint mir jedenfalls diese Thatsache, daß Barbari schon vor 1500 in Nürnberg sich längere Zeit aufgehalten haben müsse. Einige seiner Kupferstiche, wie z. B. Mars und Venus, haben einen ausgesprochenen Nürnberger Charakter und dürften daher wohl als seine ersten in Nürnberg gemachten Versuche in der Stechkunst angesehen werden. Die meisten seiner Stiche gehören indeß gewiß seinen diesseits der Alpen, theils in Nürnberg, theils in Brüssel verlebten letzten Lebensjahren an, und die Erlernung der Stechkunst mag wohl auch der Hauptgrund seiner ersten Reise nach Nürnberg gewesen sein. Ob Barbari schon vor der Veröffentlichung seines großen Holzschnittes mit der Ansicht der Stadt Venedig, 1500,


  1. Hans von Kulmbach hielt sich so streng an die Manier seines Lehrers und ahmte dieselbe so genau nach, daß er selbst in den oben bezeichneten charakteristischen Eigenthümlichkeiten von Jacopo de’ Barbari, wie z. B. in dem halbgeöffneten Munde, in der Form der Hand u. a. sich ihn zum Vorbild nahm.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/196&oldid=- (Version vom 31.7.2018)