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Seite:Die Werke italienischer Meister (Morelli).pdf/192

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späterer Zeit, wie z. B. die Tritonenentführung in der Dresdner Sammlung von Handzeichnungen, sind schon feiner und spitziger in der Behandlung und verrathen somit den Einfluß der nordischen Kunstweise. – Jacopo de’ Barbari hat nun in Venedig nicht bloß Zeichnungen für Kupferstecher und Holzschneider geliefert, er muß nothwendigerweise auch manche Bestellung als Maler von seinen Landsleuten erhalten haben; hielt ihn doch sein Freund, der in Venedig ansäßige Nürnberger Kaufmann Anton Kolb, wie Dürer in einem seiner Briefe an Pirckheimer bemerkt, für den größten Maler der Welt. Indeß in so ganz besonderen Ehren kann Barbari zu Hause nicht gestanden haben, sonst würde er wohl schwerlich Venedig verlassen haben; auch erwähnt Vasari seiner mit keiner Silbe.

Zu den von Jacopo in Venedig ausgeführten Malereien rechne ich auch die berühmten Freskomalereien, welche das schöne steinerne Grabmal des Senators Agostino Onigo in der Kirche di San Niccolò zu Treviso zieren. Das Denkmal wurde im Jahre 1490 bestellt und die malerische Ausschmückung desselben mag wahrscheinlich in die letzten Jahre des 15. Jahrhunderts fallen. Diese schönen Fresken stellen zwei an den Seiten des Monumentes stehende Krieger oder Herolde dar, von denen der eine ein langes Schwert, der andere eine eiserne Keule, einen s. g. Morgenstern, in der Hand hält[1]; zwei treffliche, lebendige Gestalten, die den Charakter der Bellinischen Schule an der Stirne tragen und deshalb sowohl von Vasari als auch von den Herren Cr. und Cav. (I, 171) dem Giovanni Bellini selber zugeschrieben wurden, während Carlo Ridolfi[2] sie dem Antonello da Messina giebt[3]. Der obere und untere


  1. Schwert und Morgenstern führen auch die zwei al Fresco gemalten „Herolde“ des Bramante in einem Zimmer des Hauses Prinetti, Via Lanzone 4, zu Mailand.
  2. Le Maraviglie dell’ Arte, I, 86.
  3. Der Krieger mit dem Schwert hat durch die Zeit gelitten, doch der andere mit dem Morgenstern, auf der rechten Seite des Grabmals, ist sehr gut erhalten, und an diesem kann man noch deutlich die dem Jacopo de’ Barbari eigenthümlichen Züge erkennen. Die technische Behandlung der Haarmasse an diesem Kopfe erinnert lebhaft an das Porträt der Belvederegalerie in Wien sowie an den Christuskopf (No. 1802) der Dresdner Sammlung.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/192&oldid=- (Version vom 31.7.2018)