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Walter Ledig, Ferdinand Ulbricht: Die Sekundär-Eisenbahnen des Königreichs Sachsen |
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Der Stationsdienst der Sekundärbahnen wird nur auf den
wichtigeren Verkehrsstellen durch besondere Stationsbeamte
besorgt, auf den minder frequenten Haltestellen dagegen – soweit
dies im einzelnen Fall angängig – durch Privatpersonen.
Auf der wichtigsten Station – und zwar ist dies in der Regel zugleich diejenige, von welcher der Betrieb der Sekundärbahn ausgeht – wird der Dienst vom Bahnverwalter versehen, welcher insofern neben seiner Stellung als Betriebsleiter auch die Funktion des Stationsvorstandes wahrzunehmen hat. Er untersteht in dieser Eigenschaft allen Vorschriften und Bestimmungen, die für den Stationsdienst im allgemeinen erlassen sind und ist namentlich auch, was das Buchungswesen, die Stations-Kassenführung und die Materialverwaltung betrifft, an die allgemeinen Instruktionen gebunden. Dabei sind ihm zu seiner Unterstützung bezw. Vertretung je nach Bedarf eine oder zwei Hilfskräfte – Diätisten oder Expeditionshilfsarbeiter ohne Beamtenqualität – beigegeben, die unter seiner Leitung und Verantwortlichkeit die speziellen Geschäfte des Personen- und Güterwesens besorgen.
Auf den übrigen Verkehrsstellen der Sekundärbahnen wird, soweit auf diesen Beamte überhaupt vorhanden sind, der Dienst durch sogenannte Haltestellenaufseher besorgt, welche ebenso wie das sonstige Personal der Sekundärbahn dem Bahnverwalter dienstlich unterstellt sind. Diese Beamten rangiren mit Eisenbahnassistenten II. und III. Klasse, Bahnmeistern, Bodenmeistern, Lokomotivführern und Oberschaffnern II. Klasse und beziehen ein Diensteinkommen, welches sich einschliesslich der Nebenbezüge von etwa 1 150 bis auf etwa 1 700 ℳ pro Jahr steigert. Hilfskräfte für den Expeditionsdienst sind auf diesen Verkehrsstellen in der Regel nicht vorhanden, nur für den Güterbodendienst sowie zur Besorgung der groben Stationsarbeiten wird dem Haltestellen-Aufseher in der Regel ein sogenannter Güterboden-Arbeiter beigegeben.
Der Stationsdienst auf den Anschlussstationen – wo die Sekundärbahn mit der Hauptbahn zusammentrifft – wird ausschliesslich von den Organen der Hauptbahn besorgt, welche sich mit dem Bahnverwalter der Sekundärbahn in fortlaufendem Einvernehmen zu erhalten haben.
Auf den für Güter- und Personenverkehr eingerichteten Haltestellen der Sekundärbahnen, wo keine Beamten vorhanden sind, wird der Dienst – wie erwähnt – durch Privatleute besorgt, welche dieses Geschäft vertragsmässig übernommen haben und als Entschädigung dafür gewisse, weiter unten näher zu behandelnde Gebührensätze beziehen. Die Zahl der bei den Sächsischen Sekundärbahnen auf diese Weise bedienten Haltestellen ist verhältnissmässig gross; von den 52 gemischten Verkehrsstellen der in Frage kommenden acht Linien werden 18 von Beamten, 34 aber von solchen, als Güteragenten bezeichneten Privatpersonen verwaltet.
Die Güteragenten sind vorwiegend Wirthe, Gewerbtreibende und Kommunalbeamte, die in der Nähe der Haltestelle wohnen und die Besorgung des Agenturdienstes als Nebenbeschäftigung übernommen haben. Sie haben die Stationsanlagen in Ordnung zu erhalten und sich während der Stunden, wo Züge auf der Haltestelle verkehren, dort einzufinden und das Ein- und Ausladen der Stückgüter zu besorgen, sowie ausserdem beim Wagenan- und Absetzen und beim Weichenstellen hilfreiche Hand zu leisten. Die den Güteragenten obliegenden Expeditionsarbeiten im Güterwesen werden in Abschnitt VI sub 4 des Nähern behandelt werden; die hierfür geltenden Vorschriften sind in einer besonderen, den Güteragenten ertheilten Geschäftsanweisung zusammengestellt. Für die Bezahlung der Frachtgelder und Spesen für alle auf der Haltestelle angekommenen und aufgegebenen Güter ist der Güteragent der Staats-Eisenbahnverwaltung gegenüber verantwortlich. Die Ablieferung der Gelder an den Bahnverwalter, oder an die hierfür bestimmte Güterexpeditionskasse erfolgt alltäglich, die Abrechnung und Ausgleichung mit dieser Kassenstelle aber in der Regel in Zeiträumen von zehn zu zehn Tagen. Bei Wagenbedarf, in Beschwerde- und Reklamationsfällen, sowie bei etwaigen sonstigen aussergewöhnlichen Fragen hat sich der Güteragent instruktionsgemäss an den vorgesetzten Bahnverwalter zu wenden und von dort Verhaltungsmassregeln für den einzelnen Fall einzuholen. Jeder Güteragent hat bei der Staatseisenbahn-Hauptkasse eine entsprechende Kaution – 100 bis 300 ℳ – zu hinterlegen. Für die Vertragsaufkündigung ist eine dreimonatliche Frist festgesetzt; die Staatsbahnverwaltung kann ausserdem ihre Zusicherungen ohne weiteres dann widerrufen, wenn sich dies aus eisenbahnbetrieblichen Rücksichten erforderlich macht oder der Güteragent seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.
Eine Vergütung wird dem Güteragenten für die ihm obliegenden Geschäfte seitens der Staats-Eisenbahnverwaltung nicht gewährt. Demselben ist aber gestattet, von den Versendern der auf der Haltestelle zur Beförderung aufgegebenen und den Empfängern der dort eingehenden Sendungen neben den tarifmässigen Sätzen eine Gebühr einzuheben, welche in der Regel für Wagenladungen bis zu 5 000 kg Gewicht 1 ℳ, für Stückgutsendungen aber 0,05 ℳ für je 100 kg Gewicht – angefangene 100 kg für voll gerechnet – beträgt.
Ihre Rechtfertigung findet diese Gebühr, welche ausschliesslich dem Güteragenten zu Gute kommt, darin, dass der Verkehr der in dieser Weise verwalteten Haltestellen an sich nicht gross genug ist, um die Errichtung besonderer Verkehrsstellen mit eigenen Beamten u. s. w. gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Mithin können für derartige kleine Verkehrsplätze Haltestellen nur dann in Frage kommen, wenn sich die Interessenten zur wenigstens antheiligen Uebertragung des durch den Bestand der Haltestellen verursachten Aufwandes bereit finden lassen und diese Uebertragung soll durch die an die Güteragenten zu zahlende Gebühr herbeigeführt werden.
Ausser den von Güteragenten verwalteten, für den Güter- und Personenverkehr eingerichteten, Haltestellen der Sekundärbahn gibt es auf den einzelnen Linien noch Verkehrsstellen, welche nur für den Personenverkehr eingerichtet sind. Dieselben sind nur mit kleinen offenen Wartehallen von Holzfachwerk ausgerüstet. Dienstpersonal ist auf solchen Haltestellen, deren Zahl bei den jetzt in Betrieb befindlichen Sekundärbahnen insgesammt fünfzehn beträgt, überhaupt nicht vorhanden.
Der Zugdienst regelt sich nach dem für jede Sekundärbahn
massgebenden Fahrplan. Dabei ist die Zahl der täglichen
Zugverbindungen auf der einzelnen Linie genau dem
vorhandenen Verkehrsbedürfnisse angepasst worden. Auch
wird auf der Mehrzahl der Sekundärbahnlinien zwischen dem
Sommer- und Winterfahrplan unterschieden, insofern, als im
Interesse des Personenverkehrs die Zahl der täglichen Zugverbindungen
während des Sommerhalbjahres entsprechend vermehrt
wird.
Auf den zur Zeit im Betrieb befindlichen Sekundärbahnen verkehren zur Zeit als fahrplanmässige Züge in jeder Richtung
während des Winter- halbjahres |
während des Sommer- halbjahres | ||||
1. | auf der Linie | Pirna-Berggiesshübel | 3 | 4 | Züge |
2. | " " " | Johanngeorgenstadt-Schwarzenberg | 4 | 4 | " |
3. | " " " | Wilkau-Saupersdorf | 5[1] | 5[2] | " |
4. | " " " | Hainsberg-Kipsdorf | 3 | 4 | " |
5. | " " " | Radebeul-Radeburg | 3 | 4 | " |
6. | " " " | Oschatz-Mügeln-Döbeln | 4 | 4 | " |
7. | " " " | Klotzsche-Königsbrück | 3 | 3 | " |
8. | " " " | Zittau-Reichenau | 4[3] | 4[3] | " |
Walter Ledig, Ferdinand Ulbricht: Die Sekundär-Eisenbahnen des Königreichs Sachsen. Druck von H. S. Hermann, Berlin 1886, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sekund%C3%A4r-Eisenbahnen_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen.pdf/68&oldid=- (Version vom 16.4.2025)