schönes und allgemein gefallendes Gewand eingekleidet. Der Redner sprach von dem Streben des Menschen nach stetem Wachsthum am moralischen Werte, so gründlich und richtig, als irgend ein Philosoph unsrer Akademie; in der Gewandtheit aber, mit der er die sublimsten Wahrheiten dem mittelmäsigsten Kopfe anschaulich zu machen, und allgemeines Interesse für sie zu erregen wußte, ließ er sie alle weit hinter sich zurücke. Er widersprach seinem Kollegen gerade zu, und schärfte es seinen Zuhörern dringend ein, daß nur Sittlichkeit den Menschen würdig und glükselig mache, und daß jeder Kräfte habe, in ihr stets zu wachsen und vollkommener zu werden. Er riß uns durch seine Beredsamkeit so dahin, und wir fühlten unsre Herzen so von ihm überwältigt, daß wir’s nicht mehr vermochten, ihm in der kritischen Rüksicht zuzuhören. Wir vergasen Esoteriker und Exoteriker; priesen das Glück einer Nation, unter der solche Religionsvorträge an Versammlungen aus allen Ständen, zum Teil aus dem niedrigsten Pöbel, gehalten werden, und beschlosen,
Johann Gottfried Pahl: Die Philosophen aus dem Uranus. [Andrä], Konstantinopel [i.e. Leipzig] 1796, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Philosophen_aus_dem_Uranus.djvu/50&oldid=- (Version vom 31.7.2018)