muß wissen, daß der katholischen Kirche, in erster Linie den Päpsten das Verdienst zukommt, daß sie ihre Stimme gegen den Wahnglauben von dem Blutritus der Juden erhoben haben.
Der Knabe Simon von Trient wird als Märtyrer verehrt, weil er, wie der Klerus von Trient in seiner Eingabe an den päpstlichen Stuhl um Beatifikation desselben geltend machte, zur Verspottung Christi von den Juden getötet worden sei. Von einem Ritualmord wird hier nichts erwähnt. In der Kanonisationsbulle des Papstes Sixtus V. wird nicht einmal erwähnt, das Simon von den Juden ermordet worden sei. Die Akten dieses merkwürdigen Prozesses in Trient befinden sich nicht bloß im Vatikanischen Archiv, sondern auch in der Wiener Hofbibliothek, und sollen, wie man liest, demnächst veröffentlicht werden.
Ich habe unter den Knaben, die von Juden ermordet wurden, auch den kleinen Matthias erwähnt, der zu Kaaden an der Eger in Böhmen von einem Juden erstochen wurde. Sein Grab befindet sich in der Stadtkirche neben dem Hochalter, in einer Nische mit einem Gitterfenster und der Inschrift: „Matthias Martyr“. Die Grabschrift hatte Kaiser Ferdinand III. verfaßt. Ein geborener Kaadener, katholischer Priester, hat mich zum Dank verpflichtet, indem er so freundlich war, mir die Überlieferung mitzuteilen, die sich bei dem Volke dortselbst über den Tod des kleinen Märtyrers erhalten hat. Sie lautet: „Matthias lehrte einen Judenknaben das Vaterunser. Der Vater des Judenknaben, Noe mit Namen, hörte das und kam so in Aufregung, daß er dem Christenknaben sein Messer in den Leib stieß, was dessen Tod herbeiführte. Noe wollte flüchten, wurde aber eingeholt und festgenommen, und mußte den Mord mit dem Leben büßen, die Juden wurden aus der Stadt vertrieben.“ Von einem Ritualmord ist in der Überlieferung keine Rede.
Von katholischen Autoritäten hat der angezogene Artikel des Osservatore cattolico nur Professor Dr. Rohling erwähnt und von ihm gesagt, daß er, einige ganz nebensächliche Ungenauigkeiten abgerechnet, mit seinem Gutachten über den jüdischen Blutritus durchaus recht habe. Wenn man die bezügliche Litteratur nicht kennt, kann man das wohl so sagen; wer aber die bezügliche Litteratur kennt, und zwar die Gegenschriften von Franz Delißsch, und die Schriften von Dr. Strack, der wird wissen, daß die Anschauung Dr. Rohlings, der an den jüdischen Blutritus glaubt, wissenschaftlich völlig unhaltbar ist.
Um zu zeigen, wie die Päpste in erster Linie gegen den Wahnglauben von dem Ritualmord der Juden ihre Stimme erhoben haben, wollen wir einige Aktenstücke aus dem Pontifikate des Papstes Innocenz IV. und des Papstes Clemens XIII. anführen.
In einer Bulle vom 3. Juli 1247 sagt Papst Innocenz IV.: „Trotzdem die heilige Schrift unter anderen Gesetzesvorschriften sagt: Du sollst nicht töten, und ihnen (den Juden) verbietet, am Passafeste etwas Totes zu berühren, erhoben jene die falsche Anklage, daß sie eben am Passafeste das Herz eines gemordeten Kindes genießen, indem sie glauben machen, das Gesetz selbst schreibe es vor, während es doch offenbar dem Gesetze zuwider ist. Und wenn irgendwo ein Leichnam gefunden wird, legt man böswillig ihnen den Mord zur Last. Durch
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/72&oldid=- (Version vom 31.7.2018)