Im fünfzehnten Jahrhundert hatten sich die Juden auf der hesperischen Halbinsel, in Spanien und Portugal, wieder außerordentlich vermehrt und wieder zu Klagen Anlaß gegeben. Der Pfarrer von Los Palacios entwirft in seinem Zeitbuch von ihnen folgende Schilderung: „Sie waren ein außerordentlich kluges und ehrgeiziges Volk, das sich die einträglichsten städtischen Ämter anzueignen wußte. Sie zogen es vor, ihren Unterhalt durch den Handel zu erwerben, der ihnen ungeheuer viel einbrachte, als durch Händearbeit und Handwerkskünste. Sie betrachteten sich als in den Händen der Ägypter, die zu betrügen und zu bestehlen ein Verdienst war. Durch ihre schändlichen Kunstgriffe sammelten sie sich große Reichtümer, und durch diese gelang es ihnen oft, in adelige christliche Familien hineinzuheiraten.“
Man hat mich gefragt, wie es möglich gewesen sei, daß Juden in adelige christliche Familien hineinheiraten konnten? Die Antwort ist sehr einfach. Es waren das Juden, die sich nur zum Scheine hatten taufen lassen, um im Lande bleiben zu können. Um diese allmählich für das Christentum zu gewinnen, und um zu verhüten, daß sie von Juden in ihrer Anhänglichkeit an das nur äußerlich verlassene Judentum bestärkt wurden, hat die Inquisition hauptsächlich darauf hingewirkt, daß die Juden aus Spanien vertrieben wurden. Der Wucher stand hier nicht im Vordergrund.
Als das Königspaar Ferdinand und Isabella der Herrschaft der Mohammedaner in Spanien ein Ende gemacht hatten, hielten sie es für notwendig, auch die Juden, die stets den Mauren geneigt gewesen waren, aus dem Lande zu vertreiben; die Juden hatten es bisher immer sehr gut verstanden, sich die Mächtigen durch Vorstrecken von Geld zu verpflichten, welches sie nachher wieder zehnfach den armen Christen abpreßten. Auch diesmal glaubten sie, mit einem Geldopfer, mit einer Bestechung durchzuschlüpfen, aber der Großinquisitor Torquemada machte ihnen einen Strich durch die Rechnung, indem er dem Königspaar zurief, sie sollten sich ja hüten, den Heiland zum zweitenmal wie Judas Ischariot um elende Silberlinge zu verkaufen.
Nicht bloß aus Spanien und Portugal, sondern auch aus England und Frankreich waren damals die Juden ausgeschlossen. Auch aus Neapel wurden sie durch spanischen Einfluß im Jahre 1540 ausgetrieben.
Wenn man überall in Deutschland Martin Luthers Gesinnungen gegen die Juden geteilt hätte, und wenn seine Brandreden gegen die Juden in Deutschland allerseits Anklang gefunden hätten, dann wären im sechzehnten Jahrhunderte die Juden in Deutschland völlig ausgerottet worden. Nachdem Luther die Flugschrift „Das Papsttum vom Teufel gestiftet“, mit einem Spottbilde von Lukas Cranach in die Welt geschleudert hatte, eine Schrift, die nur durch die Erhitzung mittels geistiger Getränke erklärbar und das höchste ist, was eine an Wahnsinn streifende Zornesmacht leisten kann, wandte er sich auch, um seinem Ingrimme noch mehr Luft zu machen, gegen die Juden. Er forderte die Christen förmlich auf, die Synagogen der Juden einzuäschern, ihnen alle Bücher, auch die Bibel, wegzunehmen, ihnen allen Gottesdienst bei Todesstrafe zu verbieten, sie zu mißhandeln und zu verjagen. Die Schrift „vom Schem Hamphoras“ begann er gleich mit der Erklärung, daß die Juden junge, zur Hölle verdammte
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/31&oldid=- (Version vom 31.7.2018)