Der König Ezechias (Hiskjah) machte sich einer großen Unvorsichtigkeit schuldig, als er, von geheimer Eitelkeit verführt, den Gesandten des Königs von Babylon die Schätze und Kostbarkeiten zeigte, die seine Väter und er in der königlichen Schatzkammer aufgehäuft hatten. Der Prophet Isaias mußte deswegen im Auftrage Gottes den König tadeln und ihm vorhersagen, daß die Babylonier kommen und die Schatzkammer plündern werden. Die Vorhersagung ging in Erfüllung, denn die Babylonier kamen wirklich, eroberten Jerusalem und raubten nicht bloß die Schatzkammer des Königs und des Tempels völlig aus, sondern führten auch einen großen Teil des Volkes in die Gefangenschaft nach Babylon. (IV. reg. 20, 24.)
Als Uman, der erste Minister des Königs Xerxes von Persien, eine Verfolgung der Juden im ganzen persischen Reiche ins Werk setzen und das sämtliche Judenvolk vernichten wollte, da gewann er den König, der seinen Staatsschatz durch den unglücklichen Feldzug gegen Griechenland erschöpft hatte, sofort für seinen Plan, indem er ihm versprach, daß er von den einzuziehenden Gütern der Juden eine Summe von mindestens fünfzig Millionen Mark – nach unserem Gelde – in die Schatzkammer bringen werde. Bekanntlich wurde diese Verfolgung der Juden durch die Dazwischenkunft der Königin Esther vereitelt, und Uman, der Judenfeind, mußte am Galgen baumeln. (Esth.3.)
Schon damals, als die Juden in der Gefangenschaft zu Ninive und Babylon leise Klagelieder sangen, während ihre Harfen trauernd an den Bachweiden hingen, fehlte es nicht an jüdischen Familien, welche sich durch große Wohlhabenheit auszeichneten, wie die Familie Joakims, des Vaters der keuschen Susanna zu Babylon, die Familie des frommen Tobias zu Ninive. Der letztere muß ein sehr bedeutendes Vermögen besessen haben, denn außerdem hätte er unmöglich seinem in Dürftigkeit geratenen Vetter Gabelus zehn Talente Silbers borgen können. Von Tobias berichtet auch die heilige Schrift noch weiter, er sei Schaffner oder Hoflieferant des assyrischen Königs Salmanassar gewesen, verschweigt aber auch nicht, daß Senacherib, Salmanassars Sohn und Nachfolger auf dem Throne, das sämtliche Vermögen des Tobias eingezogen und den Befehl, denselben zu töten, gegeben habe. (Tob. 1.)
Schon viel früher hatte Joseph, des Patriarchen Jakob Sohn, eine noch viel höhere Vertrauensstelle bei dem Könige von Ägypten eingenommen, in welcher es ihm möglich war, nicht bloß die Schatzkammer des Königs mit Geld zu füllen, sondern den König auch zum Eigentümer des ganzen Landes Ägypten zu machen, das ihm alljährlich den fünften Teil aller Erträgnisse abliefern mußte. Durch Josephs Vermittelung erhielten sein Vater Jakob und seine Brüder den fruchtbaren Landstrich Gessen zum Aufenthalte eingeräumt, und Israel nahm zu, wie die heilige Schrift erzählt, und mehrte sich sehr. Es war, als sproßten die Israeliten aus der Erde hervor, und sie wurden sehr stark und erfüllten das Land, so daß bald einer der folgenden Könige zu dem Volke Ägyptens sprechen mußte: „Das Volk der Söhne Israel ist größer und stärker als wir. Kommt, laßt es uns klüglich unterdrücken, daß es nicht etwa sich mehre und, wenn ein Krieg gegen uns
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)