Frosch gewesen, und meine gute Konservierung nach dem Tode ist lediglich eine Folge meines guten Lebenswandels. Keinerlei Debauchen, mein Herr, immer mäßig und nach den Regeln der guten Gesellschaft: das ist das ganze Geheimnis. Betrachten Sie mich dessen als Symbol und nehmen Sie sich ein Beispiel an mir. Dies Redoutengehen, Tanzen und Carressieren, Herr Lüstling, beraubt Sie absolut der Möglichkeit eines widerstandsfähigen Kadavers. Sie werden stin…
Der Herr (nimmt den Frosch und dreht ihn um): Genug! Soll ich mir auch noch von Fröschen Moral quaken lassen? Die Didaktik gehört zu den minderen Gattungen der Poesie, habe ich sagen hören, und, ach, mein Leben fängt selber an, ein Lehrgedicht zu werden. (Läßt sich in den breiten ledernen Armstuhl nieder.) Man wird zu Stroh, hat man die Liebe nicht, und selbst Leichen fangen an, sich dem als Lehrmeister aufzudrängen, dem der Sinn des Lebens verloren gegangen ist: die Liebe. Ob ich ihn ganz verloren habe und auf immer?
Otto Julius Bierbaum: Die Haare der heiligen Fringilla. München: Albert Langen, 1904, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Haare_der_heiligen_Fringilla.djvu/070&oldid=- (Version vom 31.7.2018)