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Seite:Die Grenzboten 1-1841.pdf/205

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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1

Die philharmonische Gesellschaft in Brüssel. N Wenn ein Fremder den Reichthum und die Lebenslust der Belgier kennen lernen will, so braucht er nur in die verschiedenen Privatvereine, Casinos :c. welche der geselligen Erholung gewidmet sind, sich einführen zu lassen, und er wird erstaunt sein, über den Aufwand von Pracht, Luxus und Comfort, den man daselbst antrifft. Das neue Gebäude, welches die philharmonische Gesellschaft zu Brüssel zur Feier des Cäcilienfestes einweihte, und in welchem von nun an ihre Concerte und sonstigen Versammlungen statt finden werden, ist in der That ein merkwürdiges Monument brabantischer Wohlhabenheitund Geselligkeit. Namentlich ist der große herrliche Saal ein wahres Prachtstück, sowohl in Bezug auf das Gebäude selbst, als der reichen und eleganten AuSstafsirung.Diese philharmonische Gesell¬ schaft ist wohl diejenige, welche unter allen belgischen Gesellschaftendie meisten deutschen Mitglieder zählt. Uutcr diesen befinden sich die chrenwcrthesten Namen der Brüsseler Handelswelt. Der Präsident, Herr Heimburg, so wie der musikalische Leiter der Gesellschaft, der bekannte Musikdirektor, Herr Bcndcr, sind beide Deutsche. Auch der Eigenthümer dcö neuen Gebäudes, Herr Benda, der sich des Auftrages, welchen die Gesellschaft in seine Hände gelegt hatte, auf eine überraschende und eclatante Weise entledigt hat, ist ein Deutscher. Die Gesellschaft steht unter dem Protektorat des jungen Kronprinzen von Belgien,des Herzogs von Brabant.

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Herr Gustav Brand und der deutsche Gesang. Ein junger deutscher Liedersänger, Herr Gustav Brand, hat sich in Brüssel nnd Ant¬ werpen hören lassen; in letzterer Stadt war sein Ersolg günstiger als in ersterer. Brüssel ist zu französisch, um einem Vcrsnch dieser Art besonders günstig zu sein. Herr Brand hat eine hübsche, aber nicht besonders voluminöse Stimme. Sein Hauptvcrdienst besteht in einer tüchtigen Deklamation; er ist ein deklamatorischer Säuger. Gewiß kein gerin¬ ger Vorzug; aber ein Vorzug, der nur da gewürdigt werden kann, wo das Auditorium die Sprache, in welcher die Verse geschrieben sind, versteht, und dem Charakter und dem Geiste des Gedichtes folgen kann. Herr Brand singt nur deutsche Balladen. Wie groß aber ist das Publikum in Brüssel, welches des deutschen AnSdrucks so mächtig ist, nm ihm im Gesang zu folgen? Es ist ein anderes um die Lektüre, oder selbst um das Anhören einer deutschen Predigt, eines deutschen VortragS, und eS ist ein anderes um das Auffassen einer durch Musik sich schlängclndcn Dichtung. Hierin liegt ja auch der Hauptgrund warum unsere deutschen Opern so wenig Glück in: Auslande machen. Rossini, der den Grundsatz eingeführt hat a basso le parole! ist ein Weltmusiker geworden, weil er eben die Musik unabhängig von dem Worte machte, so daß sie überall verständlich wurde, auch da, wo der italienische Text dem Hörer unzugänglich ist. Aber der dcntsche Componist, der Wort und Ton, Tcrt und Musik wie Körper und Seele betrachtet, die zusammengehören und nicht getrennt werden dürfen, der findet nur da eine Heimath, wo das deutsche Wort heimisch ist. Möge Herr Brand sich trösten, mit dem Schicksale Spohrs, Lindpaitners, Marschners ?c., denen es nicht besser geht, als ihm.

Druck und Verlag des deutschen Beragscomptoirs in Brüssel.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/205&oldid=- (Version vom 15.5.2024)