Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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diese beiden Zahlen die Grenzen der normalen Temperatur angeben.
Links von der Quecksilbersäule finden Sie die Eintheilung nach Celsius (für Krankenmessung), rechts die nach Réaumur (für Luft-, Stuben,- und Badetemperatur noch immer die volksthümlichste Eintheilung) durchgeführt, letztere natürlich, wie immer üblich, nur in ganzen Graden. Durch die verschiedene Dicke der Quecksilbersäule wurde es erreicht, dem Thermometer, ohne es ungebührlich zu verlängern, die Verwendbarkeit für alle die erwähnten Zwecke zu ermöglichen und es so recht eigentlich zu einem Haus- und Familienthermometer zu machen. Wenn es Ihnen als Wasserthermometer dienen soll, brauchen Sie es nur von oben in die daneben abgebildete Holzhülse zu stecken, und das Badethermometer ist fertig. Dies wurde dadurch erleichtert, daß der sanft in der Mitte befindliche Griff der Holzhülse nach rückwärts verlegt wurde. Darnach ließ sich oben eine Oeffnung (o) zum Einsetzen des Thermometers anbringen, ohne daß Charniere oder Haken, die dann rosten, oder complicirte Schrauben oder Pflöcke, welche verquellen, nöthig geworden wären. Das Wasser umspült bequem das Thermometer (bei den Oeffnungen FF), und die aus einem Stücke Holz höchst einfach hergestellte Hülse dient, wenn sie nach dem Gebrauche abgetrocknet ist, wieder dazu, das Thermometer an der Wand aufzuhängen, wenn man die Temperatur der Außen- und Stubenluft bestimmen will. Als gute Hausfrau werden Sie nach dem Kostenpunkte fragen. Gewiß wird es Sie befriedigen, wenn Sie hören, daß dies eine Thermometer mit seiner Hülse, das 3 andere Thermometer ersetzt, nur halb so viel kostet, wie die letzteren, die man sich wohl unter 6 Mark nicht beschaffen könnte.
Also ein Hinderniß, das Thermometer immer weiter in Familienkreisen einzubürgern, die Kenntniß seines Werthes und seiner Anwendung zu verallgemeinern, besteht wahrlich nicht. Wollen Sie als Pionnier mit dafür wirken? Sie werden es nicht bereuen; bald werden Sie sich und Anderen dadurch Beruhigung, bald Gewißheit verschaffen. Sie werden sich überzeugen, daß da, wo Kinder im Hause sind, das Thermometer in den guten Tagen der Gesundheit ein treuer Freund, Warner und Berather, in den schlimmen Zeiten der Krankheit aber ein zuverlässiger Gehülfe ist, immer aber zu ersten Beobachtungen anleitet und das angeborene Talent der Frau zu sorgsamer Krankenpflege weckt. Sie werden sich selbst eine Genugthuung, dem Arzte eine wesentliche Unterstützung gewähren, wenn Sie im Thermometriren geübt sind.
Und nun zum Lebewohl den Wunsch: Möge es Ihnen erspart bleiben, in Sorgen und Kummer von der neuen, ernsten Kunst Gebrauch zu machen; möge aber, wenn Unvermeidliches an Sie herantritt, Ruhe, Sammlung und Fassung Ihnen nicht fehlen! - Jedoch bei Zeiten an’s Werk, nicht erst im Augenblicke der Noth und Verlegenheit. Denken Sie an des alten Gellert Worte:
- ‚Im Unglück lern’ an’s Glück, im Glück an’s Unglück denken.‘
Und damit - Gott befohlen! Ihr sehr ergebener
Blätter und Blüthen.
Heinrich Heine’s Buch der Lieder, illustrirt von Paul Thumann. In den ersten Tagen des Monats October erscheint das schon seit langer Zeit im Buchhandel angekündigte und von der deutschen Leserwelt gewiß mit großer Spannung erwartete Prachtwerk, in welchem der gefeierte Künstler Professor Paul Thumann die Lieder eines der volksthümlichsten Dichter Deutschlands durch seine genialen Compositionen unserem Verständnisse näher rückt. Wie nicht anders zu erwarten war, ist in den Thumann’schen Zeichnungen mehr die ideale Seite der Heine’schen Poesie zur Geltung gelangt, während die oft störende Ironie des Dichters von dem Maler gewissermaßen in den Hintergrund gedrängt wird. Das gereicht jedoch dem Werke keineswegs zum Nachtheile, hebt vielmehr seinen Werth bedeutend, da auf diese Weise das wahrhaft Schöne und Ideale dem Auge des Beschauers vorgeführt und jeder Mißton vermieden wird. Das neue, im Verlage von Adolf Titze in Leipzig erschienene Werk ist mit zwölf Lichtdruckbildern und hundert Text-Illustrationen geschmückt, und es reiht sich in vollendeter Weise den allbekannten Prachtausgaben Thumann’s an, unter denen wir nur „Frauen-Liebe und Leben“ von Adalbert von Chamisso und „Amor und Psyche“ von Robert Hamerling besonders hervorheben. Was das Werk bietet, davon zeugt das feinempfundene, unsere heutige Nummer schmückende Bild „Die Geisterinsel“, welches nach einem der Lichtdrucke für die „Gartenlaube“ in Holzschnitt ausgeführt wurde.
„Ein westfälischer Dichter“ – so wurde Levin Schücking im Jahrgang 1862 der „Gartenlaube“ bezeichnet, als dieselbe ihn dem großen Leserkreis, den er schon damals für sich gewonnen hatte, in Bild und Wort vorstellte. Seit 1858, wo er mit seiner Erzählung „Der gefangene Dichter“ in der „Gartenlaube“ auftrat, ist er derselben ein treuer und stets beliebter und geehrter Mitarbeiter gewesen, ja, er ist es über das Grab hinaus geblieben, denn eine noch ungedruckte Novelle von ihm wird nun, nachdem er uns am 31. August durch den Tod entrissen worden ist, als letzte Gabe seines Geistes sein Gedächtniß bei unseren Lesern neu beleben und dankbar ehren.
Bernhard Levin Schücking kann ein Kind des Glücks unter den deutschen Dichtern genannt werden. Die Poesie in den liebsten und liebenswürdigsten Gestalten stand an seiner Wiege, geleitete ihn durch Kindheit und Jugend, führte ihn, als die Sorglosigkeit, die ihm bisher das Dasein erhellt, plötzlich schwand, in neue freundliche Umgebung, bis der Mann in voller Selbstständigkeit am eigenen Herde ganz und frei dem dankbaren Dienst seiner Beschützerin, Führerin und Göttin leben konnte. So wohl wird es nur selten den „Pflügern mit dem Geist“. Und nachdem er die große Zeit des Vaterlandes, die auch er, der treue Patriot, mit herbei gesehnt und geführt, stolz und froh mit erlebt hatte, starb er in den Armen seiner Lieben, beweint nicht blos von diesen. sondern betrauert von allen Gebildeten seiner Nation. Auf sein Grab kann man mit Recht neben den Eichen- und Lorbeerkranz einen Rosenkranz legen.
Schücking’s Familie hatte sich schon mehrere Generationen aufwärts durch geistvolle Männer und Schriftsteller hervorgethan. Sein Vater war hannöverischer Amtmann, eine jetzt verschwundene Stellung, die an Macht und Ansehen der eines französischen Präfecten gleichkam. Er „residirte“ in dem fürstbischöflichen Schlosse Clemensworth und stand mit dem umwohnenden Adel in geselligem Verkehr und gleichem Ansehen, sodaß sein Sohn in Folge dieser Verbindungen den westfälischen Adelsnamen „Levin“ in der Taufe erhalten konnte. Auch liebte und übte er die schönen Künste und Wissenschaften, und da Levin’s Mutter, Katharina, eine hochgebildete Dame und zu ihrer Zeit sogar eine gefeierte Dichterin war, so wuchs der Knabe und der Jüngling in einer Atmosphäre auf, in welcher das angeborene Talent gedeihen mußte.
Elise von Hohenhausen war es, die uns („Gartenlaube“ 1868, Nr. 43) einen klaren Einblick in das rührend schöne Verhältniß eröffnete, in welchem Levin zu der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff stand. Levin’s Mutter wird von derselben als eine „ausgezeichnete Persönlichkeit voll Schönheit, Anmuth und hoher Weiblichkeit“ geschildert, „eine einsame Blume der Haide“, die mit den reichen Blüthen ihrer Poesie nur ihre Umgebung erfreuen, unter den damaligen Verhältnissen aber nicht zu weiter oder gar allgemeiner Anerkennung gelangen konnte.
Diese auch in ihrer Lebensstellung hervorragende Frau wurde für das junge Dichterherz Annette’s der Gegenstand einer Verehrung, welche zu einem innigen Freundschaftsbunde zwischen Beiden führte. Als Katharinas Sohn, Levin, den sie am 6. September 1814 geboren hatte, zum ersten Mal das Elternhaus verlassen mußte, um in Münster das Gymnasium zu besuchen, gab sie ihm einen Empfehlungsbrief an Annette mit, die damals auf ihrem väterlichen Rittergute Hülshoff wohnte. Das schon herangewachsene Fräulein empfing den jungen Menschen fast mit derselben Befangenheit, mit welcher dieser vor ihr stand, und die landesüblichen gegenseitigen Höflichkeiten waren damals das einzige Ergebniß dieser Sendung. Levin bezog später die Universitäten in Heidelberg und München und lebte von dem stattlichen väterlichen Wechsel ein flottes Studentenleben, in welchem dem Jus, seinem Brodstudium, gerade nicht überviel Zeit gewidmet, dagegen die Pflege der schönen Künste und Literatur fröhlich geübt wurde. Da traf die Familie der schwerste Schlag, der sie treffen konnte: Levin’s Mutter starb, und mit ihr ging der Segen des Hauses zu Grunde. Trotz des gewohnten großen Aufwandes war sie stets im Stande gewesen, durch strenge Ordnung das Gleichgewicht zwischen Einnahme und Ausgabe aufrecht zu erhalten. Diese wirthschaftliche Fähigkeit entbehrte Levin’s Vater, und so ging der Hausstand in kurzer Zeit reißend rückwärts, denn eine zweite Frau konnte weder den Kindern die Mutter ersetzen, noch den Ruin des Hauses aufhalten. Ein Bankerott brachte den Amtmann um Stellung und Vermögen, und der Sohn stand nun verarmt am Ende seiner Studienzeit.
Die allgemeine Theilnahme, welche dieses Mißgeschick der hoch geachteten Familie in ganz Westfalen erregte, erinnerte auch die Dichterin Annette wieder an den empfohlenen Sohn ihrer Freundin, und die Ausübung wahrer Freundespflicht wurde nun ihr Trost bei dem schweren Verlust. Sie machte es ihm möglich, seine Studien zu vollenden, und mit eisernem Fleiß brachte es Levin bald so weit, daß er sich zum Staatsexamen melden konnte. Aber nun trat ihm der ehemalige Reichthum Deutschlands an Vaterländern hemmend in den Weg. Denn da Levin in Hannover, wo man gegen seinen Vater so hart verfahren war und das damals durch das Schicksal der sieben Göttinger Professoren in absonderlichem Rufe stand, kein Staatsamt begehrte, meldete er sich zum Examen in Münster, das ja 1815 wieder an Preußen gekommen war. Dort aber wollte man ihn nicht als Preußen anerkennen und wies ihn zurück.
Und wieder war es die Freundin seiner Mutter, welche dem Zurückgestoßenen die hülfreiche Hand reichte. Ihre Schwester war die (dritte) Gemahlin des alten Freiherrn Joseph von Laßberg auf der Meersburg am Bodensee geworden. Dieser originelle alte Herr, dessen Bildniß den Artikel (1868, S. 685) schmückt, auf den wir uns hier beziehen, hatte auch die poetische Schwester seiner Gattin zu sich genommen, und da er als Gemahl der Fürstin von Fürstenberg in der Lage gewesen war, seinem Sammeleifer nach Herzenslust zu fröhnen, und auf seinem Schlosse Eppishausen
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 658. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_658.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2024)