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Seite:Die Gartenlaube (1883) 638.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Mosel und Rhein und Reliefs an die Erzgießerei von Bierling in Dresden und die Gladenbeck’sche Gießerei, die einzelnen Zierstücke und sonstigen Metalltheile, Kränze, eiserne Kreuze, heraldische Adler, Wappen und Schrift an die Erzgießerei Lauchhammer.

Als nun auch von allen Seiten die Kunde kam, daß ein glückliches Geschick über dem Gusse jedes einzelnen Theiles des Kunstwerkes gewaltet, daß ein Hinderniß nicht mehr bestand, als der Heldenkaiser dann den Monat September als den Zeitpunkt bezeichnete, an dem die Enthüllung in feierlichster Weise stattfinden sollte, da war des Jubels kein Ende auf und ab am Rhein.

Jetzt schon – in dem Augenblicke, da wir dies schreiben – steht das Werk vollendet da. Wir können uns der Schilderung der Schwierigkeiten enthalten, welche die nun folgende Herbeischaffung der Gußtheile und Aufstellung derselben an Ort und Stelle im Gefolge hatten, da die „Gartenlaube“ darüber ihren Lesern bereits ausgiebige Mittheilungen gegeben (vergl. Nr. 34). Auch die äußere Gestaltung des Denkmals ist rings im Vaterlande durch Bild und Schilderung bekannt.

Werfen wir noch einen flüchtigen Blick auf die wunderbare Rheinlandschaft, die sich vom Standpunkte des Denkmals aus vor dem Wanderer ausbreitet. Mitten in den Nebenhügeln stehend, dehnt sich zur Linken das poetische Rheingau zu unseren Füßen aus, dicht drunten Rüdesheim mit der Brömser- und Boosenburg, die Rheinufer mit ihren Weinorten, dem Johannisberg, Geisenheim, und am anderen Ufer Ingelheim mit den Resten des Palastes Karl’s des Großen, während fern in der Weite die Kuppeln von Mainz erglänzen. Drüben grüßt Bingen mit der Burgruine Klopp, der Nahe-Mündung und der alten Römerbrücke, darüber hin der von Goethe schon meisterlich geschilderte Rochusberg mit seiner Capelle und seitlich davon der weinberühmte Scharlachberg. Zu unseren Füßen die Ruine Ehrenfels und in nächster Nähe die Strudel des Bingerlochs mit dem Mäusethurm.

Seitwärts, direct nicht sichtbar, liegt das weinselige Aßmannshausen und der charakteristisch neuaufgebaute Rheinstein und drüber hinaus blauen der breitgestreckte Donnersberg, die Höhen des pfälzischen Wasgaues und der Vogesen. In der That ein Punkt so reich an Geschichte und Erinnerung, ein Punkt so poetisch, wie ihn unser Vaterland nirgends wieder bietet.

Treten wir noch einen Augenblick auf die prächtigen Steinterrassen hinaus, die sich stolz mitten auf den Rebhügeln des edelsten deutschen Weines, aus dem Rüdesheimer Berg erheben. In gewaltigem Anstreben wächst der massige Steinunterbau aus dem Berge heraus. Zu beiden Seiten schieben sich die umgebenden Terrassenmauern bis zu einem tiefer liegenden Vorplatze hin.

Den unteren Sockel der Mitte des Denkmals an der Vorderseite zieren die Gestalten des Rheines und der Mosel, in der Größe von etwa drei Metern ausgeführt. Vater Rhein reicht sein Wachthorn der Mosel, sinnig andeutend, daß ihr nunmehr die Wacht an den Grenzen des Vaterlandes zukomme. Der Rhein, ein Gebild ernster Würde, die Mosel, eine Gestaltung jugendlich-anmuthiger Schönheit.

Zur Rechten und Linken, dem Denkmale vorgeschoben, erheben sich als Eckzierden die Figuren des Krieges und des Friedens. Der Krieg, eine wilde, urkräftige Jünglingsgestalt, bewaffnet mit Schlachtschwert, mit fliegendem Mantel und erhobener Kriegstrompete, ist eine Figur von plastischer Wirkung. Den Friedenszweig aber reicht die gegenüberstehende edle Gestalt des Friedens, in der Linken ein Füllhorn tragend, dem Beschauer dar.

Der Mittelfries zeigt uns Strophen des Liedes: „Es braust ein Ruf, wie Donnerhall“, und in dem Bogen des Mitteltheiles oben erkennen wir den deutschen Reichsadler, im Begriffe seinen Siegesflug zu beginnen.

Das Hauptrelief selbst verkörpert die Wacht am Rhein, das heißt den Augenblick, da sich die Krieger des deutschen Heeres zum Vormarsch unter ihrem Heldenkaiser schaaren. Es sind etwa zweihundert Figuren, darunter Kaiser Wilhelm und die Heerführer in sprechendster Aehnlichkeit. Da treten neben dem Kaiser hervor: König Ludwig von Baiern, König Johann von Sachsen und die anderen Fürsten, die Staatsmänner, Heerführer, vor Allem Bismarck und Moltke, Prinz Friedrich Karl, August von Württemberg, Prinz Albrecht Vater, von Manteuffel, von Roon, Steinmetz, Thiele, Bose, von der Tann, Hartmann, Vogel von Falckenstein etc. – etwa hundertfünfzig treffliche Portraits in künstlerischer Modellirung. Zu beiden Seiten des Denkmals finden sich kleinere Reliefs: „Der Ausmarsch“ und „Die Heimkehr“. Beide sind von wundersam rührendem Eindruck.

Erhöht über den beiden Untersockeln erhebt sich das Postament, welches die Hauptfigur der Germania trägt. Um den Fuß der Kolossalstatue sind die deutschen Wappen gruppirt und in sinniger Weise wurden über den unteren Theilen des Gesammtdenkmals kolossale Kränze angebracht, so ein Fichtenkranz über des Kriegers Abschied, ein Eschenkranz über der Figur des Krieges, ein Lorbeerkranz über der Figur des Friedens, ein Lindenkranz über des Kriegers Heimkehr. In der That, die Anordnung ist eine meisterliche und in jeder Weise poetische. Auf dem freien Theile des Postamentes erglänzen in riesigen Buchstaben die Worte:

„Zum Andenken an die einmüthige, siegreiche Erhebung des deutschen Volkes und an die Wiedererrichtung des deutschen Reiches 1870–1871.“

Die Namen der Siegesorte: Weißenburg, Wörth, Spichern, Courcelles, Mars-la-Tour, Gravelotte, Beaumont, Sedan, – Straßburg, Metz, le Bourget, Amiens, Orleans, le Mans, St. Quentin und Paris rund um das Monument, gemahnen an die Heldenthaten des zur Einigung führenden Kampfes.

Sollen wir der Ausführung der Germania selbst noch ein Loblied singen? Sie bedarf dessen nicht – sie ist ohne Widerspruch eine der vollendetsten bildnerischen Gestaltungen unserer Tage. Stolz und doch weiblich schön, hochemporgerichtet vor dem mit Adlern geschmückten Thronsessel stehend, in reicher Gewandung, welche Andeutungen an die Sagen unseres Volkes, an Genoveva, Lohengrin und die deutschen Märchen zeigt, umfaßt ihre Linke das gewaltige Schwert mit zur Erde gekehrter Spitze. Ihre Brust umspannt ein prächtig gearbeiteter Gürtel. Die Rechte hebt die deutsche Kaiserkrone zum Blau des Himmels empor. Das Haupt mit der Fülle wallenden Haares ist durch einen Eichenkranz geziert und das ernst-milde Frauenantlitz zeigt weibliche Schönheit in Hoheit und Würde. In der That eine Germania, wie sie bis heute durch keines Künstlers Hand noch dargestellt worden!

Mit peinlichster Gewissenhaftigkeit sind die einzelnen Theile ausgeführt, die Arbeit des Ciseleurs ist so in das Einzelne übertragen, daß man staunen muß ob dieser Sorgfalt bei einem Denkmal, dessen Hauptfigur allein über 40 Meter mißt und deren Gewicht (allein das der Hauptfigur) über 700 Centner beträgt. Diese Germania wird glänzen auf lange Zeit, nicht nur als Sinnbild dessen, was sie verkörpern soll, sondern auch als Meisterwerk der deutschen Bildnerkunst. –

Und so steht sie denn droben, die „Wacht am Rhein“, die stolze Versinnlichung deutscher Kraft und Größe, deutscher Gesittung und Gesinnung. Die Glocken des Rheingaus werden am Festtage den Ruf in alle Lande tragen, daß Deutschland nun einen sichtbaren Freudenausdruck der endlichen Einigung gefunden, die deutschen Fürsten werden mit dem Volke hinauf wallen zu dem rheinischen Berge, das deutsche Lied wird erschallen, und mancher deutsche Mann wird empor zu dem Standbilde schauen, eingedenk der Tage und Stunden, die wir vor dreizehn Jahren durchlebt, eingedenk der Opfer, die wir gebracht, eingedenk unserer Stärke, wenn wir eins sind, aber auch eingedenk, daß wir kein Volk des Krieges, sondern ein solches des Friedens sein wollen, daß wir uns unserer Einigung erfreuen, ohne Nebengedanken, ohne Eroberungsgelüste. Wenn aber fremder Uebermuth den herrlichen Strom, unseren Rhein, nochmals bedrohen sollte, so gemahne dies Denkmal auch ernst an die „Errichtung des nunmehr in Wahrheit einigen deutschen Reiches“, so finde uns der Gegner vereint im Gefühle für das Vaterland, vereint in Gefahr und Kampf. Eine Friedensstätte zunächst soll das Nationaldenkmal sein – möchte es eine solche am deutschen Rheine für alle Zeiten bleiben.

Auf stolzer Höhe thront Germania,
Die Krone strahlt, des Sieges Banner wallen –
Da winkt sie wieder ihren Söhnen allen;
Die Menge drängt heran von fern und nah.
Auf, auf – so ruft sie – legt an’s Werk die Hand,
An’s Werk des Friedens – mit des Friedens Waffen!
An neue Pflichten mahnt das Vaterland,
Uns darf die Zeit der Ruhe nicht erschlaffen!
Und nicht den Waffen nur sollt ihr vertrauen,
Der Menschheit beste Güter müßt ihr pflegen,
Dann werdet ihr das Reich auf Felsen bauen.
Das walte Gott! Das sei des Friedens Segen!



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 638. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_638.jpg&oldid=- (Version vom 14.1.2024)