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Seite:Die Gartenlaube (1883) 348 b.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

und dabei die gründlichste Kenltmiß der französischen Sprache und Literatur bekundet: er war Mitarbeiter an einer historischen Revue in Nantes, an einer literarischen Wochenschrift in Tours und hat einen interessanten Aufsatz über das savoyer Volksthum in der Pariser „Illustration“ veröffentlicht. Die Schwächen und Gebrechen der französischen Literatur und Bildung aber, die das Pariser Literatenthum nicht sieht oder nicht sehen will, hat der Fremde gesehen und offen dargelegt. Seine Vergleichung der Literatur der französischen Schweiz mit derjenigen Frankreichs ist somit für Alle unentbehrlich, die sich mit moderner Literatur beschäftigen; es ist das erste Werk, das über diesen Gegenstand geschrieben ist.




„Meine Sonntage. Rückblicke und Erinnerungen. Herausgegeben von Clelie Betemann.“ (Leipzig, Ambrosius Abel.) Ein wahrhaft herzerquickendes Buch! Noch selten haben wir die Erzählung der Schicksale an sich nicht als etwas ganz Besonderes hingestellter Personen und der Entwlckelung durchaus nicht überraschender Verhältnisse so sinnig eingeleitet und durchgeführt und so bescheiden und wie sich von selbst ergebend auf die Erziehung zum Edlen hinstrebend gefunden. Die alte Tante dieses Buchs ist eine Seelenverwandte jener alten Coburger Tante, deren „Altfränkische Bilder und Geschichten“ aus ihrem Erinnerungsschatz wir im Jahrg. 1882 der „Gartenlaube“ (S. 818) gepriesen haben, nur daß diese uns ein Stück wahrer Lebensgeschichte und jene eine Geschichte aus dem wahren Leben erzählt. Ein Geschwisterpaar, Friedrich und Therese, haben, früh verwaist, erst beide die Lehrlaufbahn betreten, er als Hauslehrer, sie als Gouvernante; beide sind in innige Beziehungen zu ihren edlen Herrschaften gekommen, Friedrich hat einen kurzen Liebesfrühling erlebt, den der Tod endete; die Heilstätte für sein Leid ist das Pfarrhaus in einem armen Walddorfe, dorthin folgt ihm die Schwester, um „Jungfer Pastor“ und endlich die „Stricktante“ für alle Dorfkinder zu werden. Trotz ihrer bescheidenen Mittel nehmen sie zwei noch Aermere in ihr Haus auf: das „Heinerle“ und seine Großmutter. Heinrich wird der Liebling, das Kind der Geschwister. Sie lassen ihn sogar studiren; er wird ein tüchtiger Arzt. Als solcher geht er 1870 mit in den Krieg, und wir erfreuen uns hier derselben Begeisterung dieser Tante für die Heldenthaten der deutschen Heere, wie die Coburger Tante uns durch lhre Begeisterung für den Befreiungskrieg entzückt hat. Heinrich wird der Lebensretter eines hohen Officiers, welcher der Gatte der ehemaligen Schülerin und nun treuen Freundin seiner Schwester ist. Zwischen der Tochter desselben und dem jungen Arzte spinnt sich ein Herzensfaden fest, – die Schranke des Standesunterschieds bannt beide, bis der Vater selbst es rühmt, daß eine Prinzessin die Gattin des Dr. Esmarch geworden. Die Schranke fällt und der Jubel der Tochter: „Er liebt mich! Er begehrt mich! Er lebt für mich!“ deutet auf das schöne Ende der Erzählung hin.

Aber wie erzählt dies die Tante! „Wenn die Abendstunden des Sonntags kommen“, wird ihr Herz von wohlthuenden Gefühlen sanfter Rückerinnerung durchzogen – und da schreibt sie nieder, was von den Bildern des vergangenen Lebens ihr inneres Auge schaut. Aber – „ich habe zu lange ein Pfarrhaus bewohnt“, sagt sie, „um nicht vertraut geworden zu sein mit den Bezeichnungen der Sonntage, – denen die Anfangsworte der alljährlich wiederkehrenden Psalmen und Episteln ihre Namen gegeben. Von jeher habe ich mit meinen Gedanken und Ueberlegungen nicht ungern angeknüpft an diese – Stichworte.“ So ist es ihr nun auch beim Schreiben ergangen – und so theilt sich von selbst die ganze Erzählung in die zweiundfünfzig Sonntage des Jahres ein. Am Sonntag Misericordias Domini hat sie das „Heinerle“ zuerst gesehen und sich seiner erbarmt, – am Sonntag Jubilate freut sie sich des Tags, wo sie ihn und die Großmutter im Pfarrhause aufnahm etc. Wer goldne Worte lesen will, schlage S. 236 den Sonntag Judica auf! – Mit dem Ostersonntage schließt der Jahreslauf und die Geschichte. Unser Schluß aber lautet: Wer sich an einem solchen Buche nicht zu erfreuen vermag, für den ist es eben nicht geschrieben.




Musikalische Universal-Bibliothek. Unter diesem Titel erscheint seit längerer Zeit in Leipzig, Verlag der Musikalischen Universal-Bibliothek (R. Schmidt), eine Sammlung von Musikstücken für Pianoforte und Gesang, die, wie schon der Titel sagt, auf denselben Grundsätzen basirt, welche dem gleichnamigen literarischen Unternehmen, der im Laufe der Zeit zu so überraschender Bedeutung herangewachsenen Reclam’schen Universal-Bibliothek, zur Grundlage gedient haben: – eine Sammlung, welche das Ziel verfolgt, der musikalischen Welt eine Gelegenheit zu bieten, sich die besten Erzeugnisse aus dem musikalischen Gebiete auf eine leichte Weise zu verschaffen und sich so nach und nach eine Hausbibliothek anlegen zu können, die allen Ansprüchen der Billigkeit, der sorgsamen Auswahl und der Mannigfaltigkeit Genüge leistet.

Wenn wir erst jetzt dazu kommen, ein empfehlendes Wort über diese Bibliothek zu sagen, so hat dies seinen Grund darin, daß wir das Erscheinen einer größeren Anzahl von Nummern abwarten wollten, um einen klaren Ueberblick über Anlage und Plan dieser wirklich volksthümlichen Sammlung zu bekommen. Nachdem nunmehr gegen 100 Nummern ausgegeben sind, können wir sagen, daß die Idee, aus welcher das Unternehmen hervorgegangen ist, als eine glückliche bezeichnet werden kann und daß es der Verlagshandlung allem Anscheine nach wirklich darum zu thun ist, für einen unglaublich billigen Preis (die Nummer kostet ohne Rücksicht auf den Umfang nur 20 Pfennig) dem Publicum etwas Gediegenes und Geschmackvolles zu bieten. Die Auswahl ist eine mustergültige, das Programm überaus reichhaltig und das Arrangement in jeder Hinsicht gut. Neben dem deutschen Lied, das mit Recht einen hervorragenden Platz in der Sammlung einnimmt, begegnen wir Tänzen, Märschen, nationalen Hymnen und Weisen etc. sowie nicht minder auch den klangvollsten Namen auf dem Gebiete der Tonkunst, wie Bach, Beethoven, Haydn, Mendelssohn, Mozart, Schubert, Weber, Chopin und Anderen.

Wenn nun auch zugegeben werden muß, daß wir schon viele billige Ausgaben von Musikalien besitzen und namentlich in der Richtung, die Classiker der Musik dem Volke zugänglich zu machen, Großes geleistet worden ist, so liegt doch der Vortheil und das Angenehme der Musikalischen Universal-Bibliothek darin, daß eben jedes Stück einzeln käuflich ist und man nicht stets, wie bei den anderen billigen Ausgaben, eine ganze Sammlung nehmen muß, daß die Auswahl eine leichte und übersichtliche ist und Jeder das seinem Geschmack und Können Entsprechende herausfinden und für wenige Pfennige erwerben kann. Außerdem beschränkt sich aber die Bibliothek nicht darauf, nur Bekanntes zu bringen, sondern sie zieht auch in der Masse der Erscheinungen Verschwundenes und im Laufe der Zeiten mit Unrecht Vergessenes wieder an’s Licht und räumt besonders dem echt nationalen Volkslied (wir machen nur auf die schönen Lieder aus Steiermark aufmerksam) einen Platz ein und wird, wenn sie fortfährt wie begonnen, was wir hoffen, mit der Zeit eine Universal-Bibliothek im wahrsten Sinne des Wortes und ein Schatz für jeden Musikfreund werden.




Hermann Hettner’s Morgenroth. Von Jacob Moleschott (Gießen, Emil Roth). Ein Jugenddenkmal alter Freundschaft. Freilich werden nur diejenigen, welche mit den beiden Männern jung waren und alt geworden sind, den ganzen Zauber der vollendeten Lebenswahrheit in dem Bilde jener bewegten Zeit von 1847 bis 1850 auf sich einwirken lassen können, aber lernen kann die spätere Generation doch aus dem prächtigen Buche sehr viel über jene Tage, in deren Darstellung noch immer Licht und Schatten wild durch einander fließen, weil der politische Parteigeist bis heute an derselben mitarbeitet. Die Bezeichnung „Morgenroth“ bezieht sich jedoch vor Allem auf das wissenschaftliche Streben der beiden damals erst dem Jünglingsalter entwachsenen Männer. In wie liebevoller Weise schildert uns Moleschott die Entstehung, den Fortgang und den Inhalt von Hettner’s erstem Buche, der „Vorschule zur bildenden Kunst der Alten“, dessen Vollendung der weise Vater seiner Braut, Maria von Stockmar in Coburg, als Bedingung für die Verbindung beider aufgestellt hatte! Seitenweise theilt er uns die glänzendsten Stellen desselben mit und bedauert schließlich noch, daß er nothgedrungen abbrechen müsse. Mit den damaligen bedeutenden Männern und Frauen in Heidelberg, wo das „Morgenroth“ Hettner’s und Moleschott’s aufging, lernen wir viele bis in ihre Häuslichkeit kennen, namentlich tritt uns „der alte Schlosser“ in ganzer Gestalt entgegen. Die politischen Streiflichter auf jene und unsere Zeit (besonders Seite 49) verdienten an maßgebender Stelle wohl beachtet zu werden. Nachdem der Verfasser auch Hettner’s zweites noch in Heidelberg vollendetes Werk: „Die romantische Schule in ihrem Zusammenhang mit Goethe und Schiller“, in gleicher Weise wie das erste uns vor Augen geführt, kommt die Scheidestunde, die Hettner nach Jena ruft, und damit das Verglühen des „Morgenroths“, der Abschied Moleschott’s von dem Freunde und das Ende eines Buches, das wir nicht warm genug empfehlen können.




Als empfehlenswerth und zum Theil künftiger Besprechung vorbehalten, haben wir von den uns vorliegenden älteren und neuesten Erscheinungen zu nennen:

Ludwig Nonne’s Romane (Georg Dipaod, Aus vergangenen Tagen [Der Frohnhof und Auf der Landwehr], Georg von Frundsberg und der Bürgermeister von Rothenburg, sämmtlich Gotha, F. A. Perthes.).

Adolf Brennecke, Um Paris herum, eine Erzählung aus großer Zeit (Zürich, Cäsar Schmidt).

Karl Stelter, Aus Geschichte und Sage, Erzählende Dichtungen (Elberfeld, Bädeker).

Lyrisches: Anna Stirn, Haideblumen, 3. Aufl. (Kassel, Ernst Hühn); Lilly Uhrlaub, In einsamen Stunden (Stuttgart, E. Greiner); Rosa Baruch, Gefesselt (Wien, Leutgeb); E. R. Neubauer, Die Ideonen, ein Gedicht in 50 Liedern (Hamburg, J. F. Richter); Karl Schäfer, Haiderosen. 2. Aufl. (Darmstadt, Liter.-artistische Anstalt); Rasario, Streusand (Parchim, H. Wehdemann); August Sturm, Auf Flügeln des Gesanges (Neuhaldensleben, A. Besser).

Episches: Wilh. Reif, Von Sedan bis Java. Ein Menschenleben (Meiningen, Keißner); Anton Ohorn, Die Madonna, eine Künstlernovelle in Versen (Stuttgart, Levy und Müller); Heinrich Seitz, 1) Anton Greiner, ein Sang vom Thüringer Schneekopf, 2) Reinhardsbrunn, eine Mär vom Wald (Hildbnrghausen, Kesselring).

Dialektpoesie: Julklapp, Leeder un Läuschen v. Gaedertz, Hambarg, J. F. Richter); Heinrich Kloth, De Landrathsdochder. En Geschich ut östlich Holsteen (2 Bände. Kiel, Lipsius und Tischer); Professor O. Sutermeister, Schwizer-Dütsch. (Zürich, Orell Füßli u. Comp.); Ete Jörnsen und A. Kues, De Eekbom. Zeitschrift (Berlin).

Dr. Heinrich Beitzke’s Geschichte der deutschen Freiheitskriege in den Jahren 1813 und 1814. Vierte neu bearbeitete Auflage von Dr. Paul Goldschmidt. 2 Bde. (Bremen, M. Heinsius.)

Dr. C. Beyer’s Deutsche Poetik. Theoretisch-praktisches Handbuch der deutschen Dichtkunst. 2 Bde. (Stuttgart, G. J. Göschen.)

G. Huyssen, Die Poesie des Krieges und die Kriegs-Poesie. (Berlin, J. H. Maurer-Greiner.)

Ed. de la Fontaine, Luxemburger Sitten und Bräuche. (Luxemburg, Joh. Beffort.)

Ida Klein, Novellen und winzige Sächelchen. (Prag, Heinrich Mercy.)

K. E. Franzos, Deutsches Dichterbuch aus Oesterreich. (Leipzig, Breitkopf u. Härtel.)

Dr. Otto Lyon, Minne- und Meistersang. (Leipzig, Th. Grieben, [L. Fernau])

Die Luther-Schriften bleiben der Besprechung für die Jubiläumsfestzeit vorbehalten.

(Fortsetzung folgt.)



Unter Verantwortlichkeit von Dr. Friedrich Hofmann in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 867. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_348_b.jpg&oldid=- (Version vom 3.1.2024)