Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1883) 172.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Paul gab sich Mühe, eine lebhafte Freude zu zeigen, die einzige Art des Dankes, die ihm erlaubt war, aber das helle Glück, mit dem er noch gestern früh an seine neue Heimath gedacht hatte, war dahin zugleich mit der Hoffnung, eine junge Herrin dort einzuführen. Er berichtete indessen ausführlich über seinen Besuch auf dem Gute und über die Rücksprache, die er mit dem Pächter genommen hatte.

„Du hattest vollkommen Recht hinsichtlich der Uebersiedlung,“ sagte Paul endlich, „ich werde also bis zum Frühjahr in Felseneck bleiben, wenn Du es nicht anders bestimmst.“

Raimund blickte ihn prüfend an.

„Und Du willst den ganzen Winter hier in dieser Einsamkeit aushalten? Das ist ein tapferer Entschluß für eine Natur wie die Deinige, aber vielleicht kann ich ihn Dir erleichtern. Ich habe Dir einen Vorschlag zu machen. Paul – willst Du mich nach Werdenfels begleiten?“

Paul glaubte nicht recht gehört zu haben.

„Nach Werdenfels?“ wiederholte er, starr vor Erstaunen. „Du willst dorthin?“

„Ja, vorläufig nur auf einige Tage.“

„Aber Du hast das Schloß ja seit dem Tode Deines Vaters nicht betreten! Du hast überhaupt seit sechs Jahren Dein Felseneck nicht verlassen und jetzt –“

„Jetzt ändere ich das,“ fiel Raimund ein, in einem Tone, der das Erstaunen ebenso wie den Widerspruch verbat. „Wenn Du übrigens keine Lust hast, mich zu begleiten, so steht es Dir ja frei, hier zu bleiben.“

„Durchaus nicht – ich ziehe es unbedingt vor, Dich zu begleiten,“ rief Paul, der sofort berechnete, daß sich dort unten im Schlosse die Wiederanknüpfungspunkte mit Rosenberg viel leichter finden würden.

„Gut, so fahren wir um zwei Uhr. Ich habe bereits gestern dem Castellan die Weisung gesandt, die Zimmer in Bereitschaft setzen zu lassen. Wir nehmen nur die nothwendigste Dienerschaft mit, in die Dein Arnold natürlich eingeschlossen ist; also richte Dich für den Ausflug ein! Ich erwarte Dich zur festgesetzten Stunde.“

(Fortsetzung folgt.)




Aus dem Verbannungsorte der ägyptischen Rebellen.

Die Bedeutung Ceylons. – Ankunft in dem „Garten Indiens“. – Handelssöhne der „Rubininsel“. – „Ausleger“–Boote. – Die „Gartenstadt“ Colombo. – Ceylonische Postkutsche. – Singhalesische Postillone. – Ochsendroschken. – Eine Eisenbahnfahrt nach dem Verbannungsorte Arabi Pascha’s. – Der tropische und der deutsche Wald. – Die Königin der ceylonischen Palmen. – Papier aus Palmblättern. – Kandy. – Der Zahn des Propheten. – Die Ruinen von Anuradhapura. – Der älteste historische Baum der Welt. – In den „Korallengärten“ von Point de Galle.

In den letzten Jahren wurde die Aufmerksamkeit der gebildeten Welt zu wiederholten Malen auf die Insel Ceylon gelenkt. Zunächst wurde in Fachblättern berichtet, daß die Versuche mit dem Anbau der Cinchonabäume, deren Rinde das gegen Wechselfieber alleinhelfende Chinin liefert, auf Ceylon über alle Erwartung gelungen wären. Dann folgte dieser frohen Kunde eine Art Hiobspost von der „ceylonischen Kaffeeseuche“, einer Pilzkrankheit, welche die Kaffeeplantagen der Insel arg bedrohte und von dort sich über die angrenzenden Kaffeeländer ausbreitete. Dann wieder erfuhren wir, daß der berühmte deutsche Zoologe Professor Dr. Ernst Häckel von seiner Forscherreise nach Ceylon, reich beladen mit allen möglichen Schätzen der Wissenschaft, in seine jenaische Heimath zurückgekehrt sei. Und endlich, als die Tragikomödie des Arabi Pascha-Aufstandes in Aegypten ausgespielt war, da hieß es, das stolze, aber gnädige Albion habe den Führer der Rebellen und seine Getreuen nach Kandy auf Ceylon in Verbannung geschickt.

So oft wir nun von allen diesen Dingen hörten, stieg unwillkürlich das glühende Bild Ceylons vor unseren Augen auf, das Bild jenes Märchenlandes, welchem schon unsere Vorfahren die Namen „der Garten Indiens“ und die „Königin der Inseln“ beigelegt hatten. Da lag der Gedanke nahe, das vielgenannte Tropenland den Lesern der „Gartenlaube“ einmal vor Augen zu führen, und wir sind heute in der Lage, dieses Vorhaben zu verwirklichen.

Ein talentvoller, vielgereister Maler stellte uns einige Skizzen aus seiner Bildermappe zur Verfügung, und ein junger deutscher Forscher,[1] der gegenwärtig auf einer Weltreise begriffen ist, gewährte uns den Einblick in sein Reisetagebuch, in welchem auch Ceylon ausführlich beschrieben wird. So fand sich Material für Wort und Bild zusammen. –

Die an der Südostseite von Vorderindien gelegene „immergrüne Wunderinsel“ ist um Weniges kleiner als das Königreich Baiern, und zählt gegenwärtig gegen zwei Millionen Einwohner. Europäische Reisende begrüßen sie in der Regel von Westen her und gehen bei der wichtigen Handelsstadt Colombo an’s Land. Schon in dem Hafen tritt ihnen das bunte Völkergemisch, welches im Laufe der Zeiten sich hier niedergelassen, entgegen. Sonderbar geformte Boote umringen den Dampfer; sie bestehen aus einem einzigen ausgehöhlten Baumstamme von ungefähr sechs Meter Länge, dessen Breite kaum ein halbes Meter beträgt. Von einer Seite des Bootes gehen rechtwinkelig zwei gebogene Bambusstämme ab, welche an ihren Enden durch einen dickeren Stamm verbunden sind. Man nennt ihn „Outrigger“, das heißt Ausleger, und dieser einfache Apparat, welcher flach auf dem Wasser schwimmt, verleiht dem schmalen Fahrzeug einen hohen Grad von Sicherheit.

In den meisten Auslegerbooten erblickt man nackte, braune Gestalten, nur mit einer Schwimmhose oder dem Sarong, einer Art baumwollenen Schurzes, bekeidet. Es sind Singhalesen, ein auf Ceylon stark vertretener Volksstamm. Sie tragen ihr langes schwarzes Haar sorgfältig frisirt und meistens zu einem starken Zopfe geflochten oder mit einem Schildpattkamme geziert. Neben diesen schwächlich gebauten Menschen erscheinen der kräftigere Schlag der rabenschwarzen „Tamils“ und die stattlichen Gestalten der Indo-Araber oder Mohren, die mit langem weißem Kaftan und weißen Pumphosen bekleidet sind und auf ihren bärtigen Häuptern einen majestätischen, meistens gelb gefärbten Turban tragen. Das sind ceylonische Typen, bunt und mannigfaltig, wie sie der Zeichner auf unserem nebenstehenden Bilde dargestellt hat.

Weder Neugierde noch Gastfreundlichkeit führen sie zu den europäischen Schiffen; sie klettern behend an ihren Planken in die Höhe, um mit dem Fremden ein Geschäft abzuschließen, um Cocosnüsse, Bananen, Ananas, Fische und Krebse zu verkaufen oder Schmuckgegenstände an den Mann zu bringen. Manche Stücke ihrer nationalen Industrie, wie Elephanten- und Buddhabilder aus Elfenbein oder Körbchen und Matten, aus Binsen und Palmfasern geflochten, werden gern als Erinnerung an Ceylon gekauft, aber sobald die nackten Schlauköpfe prachtvolle Edelsteine anbieten, ist die größte Vorsicht geboten; denn die Söhne der „Rubininsel“ führen nur allzuoft geschliffenes europäisches Buntglas in ihrem Hausirkasten.

Colombo ist eine wahre Gartenstadt. Kein Bungalow (Villa, Landhaus) der Europäer ist zu erblicken, der ohne einen üppig blühenden und grünenden tropischen Garten da stände. Dabei bedeckt die Stadt einen Flächenraum von elf englischen Quadratmeilen und hat nahe an 112,000 Einwohner. Wie fast alle


  1. Dr. Hans Meyer, Enkel des durch seine großartige Wirksamkeit auf buchhändlerischem und volkswirthschaftlichem Gebiet ausgezeichneten Patrioten Joseph Meyer (Bibliogr. Institut) in Hildburghausen und Sohn des jetzigen Chefs derselben Firma zu Leipzig, steht gegenwärtig in seinem fünfundzwanzigsten Lebensjahre. Nachdem er bei der reitenden Artillerie in der Garde seiner Militärpflicht genügt und in Straßburg 1881 promovirt hatte, begab er sich Anfang October desselben Jahres auf eine Reise um die Welt. Das Bibliographische Institut zu Leipzig hat schon jetzt die ersten Reiseskizzen des jungen Forschers unter dem Titel „Blätter aus meinem Tagebuch von Dr. Hans Meyer“ veröffentlicht. Da das Werkchen jedoch, von dem bis jetzt drei Hefte erschienen sind, nur als Manuscript für die Freunde des Verfassers gedruckt wurde und darum nur Wenigen bekannt sein dürfte, so haben wir unsere heutige Schilderung der Insel Ceylon zum Theil demselben entlehnt und Meyer’s Mittheilungen durch die von Professor Ernst Häckel in seinen „Indischen Reisebriefen“ (Gebr. Pätel, Berlin 1883) niedergelegten Erfahrungen zu ergänzen versucht. Die kleine Karte von Ceylon, welche wir zur leichteren Orientirung für unsere Leser beifügten, ist dem Meyer’schen Tagebuch entnommen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_172.jpg&oldid=- (Version vom 24.12.2023)